Trance - Gefährliche Erinnerung
Trance
Nach seinem Oscar®-nominierten Film 127 Hours, seiner mit den Olivier-Award ausgezeichneten Bühneninszenierung „Frankenstein“ und seiner sensationellen Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2012 kehrt Regisseur und Oscar®-Gewinner Danny Boyle zu jenen Themen zurück, mit denen seine kometenhafte Filmkarriere einst ihren Anfang nahm.
Bereits in seinem Regiedebüt Kleine Morde unter Freunden trieb er mit seinem lakonischem, von tiefschwarzem Humor und psychologischer Spannung geprägten Stil eine Freundesclique in einen Strudel aus Paranoia und Verrat. Mit Trance - Gefährliche Erinnerung taucht er erneut in die finsteren Abgründe menschlichen Verhaltens ein und schickt das Publikum auf eine Reise in die verführerische und trügerische Sphäre des Unbewussten.
Der Film beginnt mit einem akkurat geplanten Überfall auf ein Auktionshaus, der unerwartet schief läuft, als der Kunstauktionator und Komplize Simon nach einem Schlag auf den Kopf sein Gedächtnis und damit auch seine Erinnerung an das Versteck des gestohlenen Goyas verliert.
Dann verwandelt sich die Räubergeschichte in eine prickelnde Dreiecksbeziehung, bestehend aus dem unter Gedächtnisverlust leidenden Gemäldedieb, seinem bedrohlichen Partner und Bandenchef, und der verführerischen Hypnosetherapeutin, die engagiert wurde, um einen Weg zu den Erinnerungen des Diebes zu finden. Das Trio verstrickt sich mit Haut und Haaren in ein schier unentwirrbares Psychorätsel.
»Ich wollte den Geist des „Film noir“ aufgreifen und aktualisieren – und mir diese Welt aber aus einer heutigen Sichtweise aneignen«, sagt Boyle. »Und weil der menschliche Geist ein wirklich interessantes Filmthema ist, wollten wir in einem kleinen Streifgang all diese imposanten Fragen über Bewusstsein, Unbewusstsein und darüber, welches von beiden die Oberhand hat, antippen.
Man denkt vielleicht, dass man alles unter Kontrolle hat, aber es gibt Bereiche, an die man nicht herankommt. Etwas in einem weiß zwar Bescheid - aber das Bewusstsein selbst weiß noch nicht einmal, was man als nächstes sagen wird! Das fasziniert mich sehr.«
Trance hat drei Hauptfiguren, die alle das gleiche Problem haben: Keine von ihnen ist so, wie sie zunächst scheint. Für diese irritierenden Charaktere mit ihrem flirrenden, nicht fassbaren Identitäten, ihrem Schwanken zwischen Verführung und Illusion, bedurfte es einer besonders sorgfältigen Schauspielerwahl. Man brauchte talentierte Darsteller, die sich von vorneherein zu schwierigen Rollen hingezogen fühlen.
Jeder der Drei steigert den Konflikt überdies durch die jeweilige unterschiedliche Beurteilung des eigentlichen Wertes des Gemäldes: Für Simon ist es als Bestandteil des menschlichen Kulturerbes und der Kunstgeschichte buchstäblich unschätzbar, für Franck ist es im Grunde nur eine sehr große Banknote, während es für Elizabeth eine gänzlich andere, persönlichere Bedeutung besitzt. Doch alle haben gute Gründe, um sich mit vollem Einsatz in den Kampf um das Gemälde zu stürzen.
Danny Boyle war von Herrn McAvoy überrascht: »Ich dachte zunächst, dass er vielleicht ein bisschen zu jung war, doch als wir uns dann trafen, wurde die Sache spannend, weil die Rolle ihn älter aussehen ließ. Es war wirklich fantastisch mitzuerleben, wie er in die Rolle hineinwuchs. Außerdem wollte ich, dass er seine schottische Aussprache behält, denn ich liebe den schottischen Akzent wirklich sehr.
Er sagte mir, dass dies nicht oft von ihm verlangt wird. Es war also für beide, James und Vincent, großartig, dass sie ihre Muttersprache benutzen konnten. Ich bin total hingerissen von James, der wirklich einen tollen Job macht. Es ist eine sehr schwierige Rolle, weil man nie sicher ist, wann ihm sein Bewusstsein einen Streich spielt.«
Simons verlorene Erinnerungen sind ebenso wichtig für Franck, den raffinierten Kunstdieb, der absolut entsetzt ist, dass sein erstklassig ausgetüftelter Raub plötzlich eine Wendung in die ungewisse Welt der Psyche, des Gedächtnisschwundes und in die Geheimnisse des Unbewussten nimmt.
»Was mir an diesem Film gefiel, ist, dass er vollkommen normal beginnt und ab der 25. Seite zu etwas völlig anderem wird. Das Genre wird auf den Kopf gestellt, man wird wirklich an der Nase herumgeführt«, sagt Vincent Cassel. »Es ist unklar, wer der Gute und wer der Böse ist.
Zuerst nimmt man das Eine an, das sich dann zu etwas anderem entwickelt, und schließlich, am Ende, ist es etwas total anderes. Die Charaktere wandeln sich. Man tappt in die Falle des Urteils, dass man sich über jemand gebildet hat. Plötzlich merkt man, dass es nicht ganz so ist, wie man zunächst dachte.«
Im Kern der Geschichte vollzieht Franck eine 180°-Wende, die, wie Drehbuchautor John Hodges anmerkt, grundlegend für diese Rolle ist: »An der Oberfläche ist Franck ein ziemlich kompromissloser Gangster, aber ich glaube, dass er sich allmählich als menschlicher erweist, vielleicht sogar als eine Figur, mit der man sympathisiert. Während der Handlung entdeckt Franck Dinge über sich selbst, die über die Gangsterrolle, in die er sich eingefunden hat, hinausgehen.«
Die dritte und verführerischste Seite des Dreiecks gehört der coolen und charismatischen Hypnosetherapeutin Elizabeth Lamb, die von Schauspielerin Rosario Dawson als eine sehr moderne Version einer klassischen „Femme fatale“ verkörpert wird. Anfangs scheint sie lediglich als Blickfang zu dienen, als naive Bauernfigur im männerdominierten Schachspiel. Doch als sich das Rätsel des Films allmählich löst, kommt Elizabeths wahre Macht zum Vorschein.
»Ich habe noch nie im Entferntesten jemanden wie sie gespielt«, sagt Rosario Dawson über ihre Rolle. »Elizabeth ist völlig anders, weil sie alles versteckt. Man bekommt nur Hinweise auf ihre Gefühlslage, etwa durch die Dinge, die ich mit meinem Haar anstelle, um zum Beispiel ihre Zurückhaltung auszudrücken.
Oder wenn sie ihr Haar herunterlässt, dann lässt sie es wirklich herunter. Man bekommt dann eine völlig andere Seite von ihr zu sehen. Es ist subtil, es vollzieht sich völlig unausgesprochen. Sie entwickelt zwischen den beiden Jungs einfach eine tolle Präsenz.«
Einer der aufregendsten Aspekte von Trance - Gefährliche Erinnerung war für Boyle die Aufgabe, eine Frau als gleichwertigen Mitspieler in einem Thriller herauszustellen: »In allen Filmen, die ich mache, gibt es zwar tolle Frauen, aber im Grunde drehen sie sich um Männer - Ewan McGregor oder Cillian Murphy oder Dev Patel, James Franco oder Leonardo DiCaprio. Was ich deshalb an diesem Film besonders liebe, ist, dass sich mitten im Getümmel eine Frau behauptet, die ihre eigene Agenda vertritt.«
Rosario Dawson näherte sich ihrer Figur, indem sie Hypnoseunterricht besuchte und Bücher über Hypnotherapie und Psychologie las: »Ich traf mich mit ein paar Hynotherapeuten. Ich wurde hypnotisiert. Jeder Mensch, der mit diesem Beruf zu tun hatte, strahlte Selbstvertrauen aus. Sie geben dir jenes Gefühl eines „Ich kenne die Geheimnisse in deinem Kopf und du verstehst nicht, wie du denkst oder warum du dich so verhältst, aber ich tue es und kann dir helfen.“ Das war alles sehr interessant für mich, und es war kein Zufall, dass ich sie so darstellte, wie ich es tat.«
Die Hypnose mag darauf einwirken, was eine Person sieht, doch der Prozess beginnt damit, was diese Person hört - mit einer Stimme, die einen weglotst von den Ufern alltäglicher Erfahrung in die versteckten Winkel der Psyche. Der Ton war für Danny Boyles Vorstellung von Trance also ebenso wichtig wie das Visuelle. Das Team hatte während seiner Recherchen herausgefunden, dass das Timbre einer Therapeutenstimme das Hauptwerkzeug ist, um den Patienten in Hypnose zu versetzen, und machte dies also zum Schwerpunkt der Produktion.
»In einem Film ist es ziemlich selten, dass Worte das Bildvokabular der Geschichte darstellen. Doch ich machte Simon Hayes, unserem Tonmeister, klar, dass er unbedingt einen perfekt hermetisch versiegelten Raum schaffen musste, in dem die Figuren umeinander kreisen und sich, ohne äußere Einflüsse, nur aufeinander beziehen können«, erklärt der Regisseur. »Ich habe nie zuvor dem Ton soviel Aufmerksamkeit gewidmet, aber es ist ein enorm wichtiges Detail für den Film.«
»Wir sprachen über das Timbre der Stimmen, und was Danny vor allem erreichen wollte, war ein ausgesprochen satter hypnotischer Sound, besonders in den Trance-Szenen. In diesen Szenen war es besonders wichtig, mit dem Mikrofon ganz nahe zu kommen«, fügt Simon Hayes an. »Es befand sich oft buchstäblich am Bildrand. Der Kameramann erlaubte uns, das Mikrofon buchstäblich innerhalb eines Zentimeters Entfernung vom Bildrand zu positionieren. Wir vollführten einen Tanz mit dem Teufel, wie man so schön sagt, bei jeder einzelnen Aufnahme.«
Für die Musik, ein weiteres Schlüsselelement des Films, beauftragte Regisseur Danny Boyle seinen langjährigen Mitarbeiter Rick Smith vom Technoduo Underworld mit der Aufgabe, einen Soundtrack mit Anklängen an die tatsächlich als „Trance“ bekannt gewordene Techno-Variante zu komponieren – Tanzmusik, die durch ihren schnellen Beats und ihre atmosphärisch aufsteigenden Klänge mitreißt.
Rick Smith hatte mit Boyle bereits die Monate zuvor mit der Arbeit an der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele verbracht. Davor hatten die beiden schon bei The Beach, bei Danny Boyles Theaterinszenierung von „Frankenstein“ und, am bekanntesten, bei Trainspotting zusammengearbeitet, wodurch das Stück „Born Slippy“ zur Hymne der Clubszene von der Mitte bis zum Ende der Neunziger aufstieg.
Danny Boyle abschließend: »Unsere Geschichte ist zwar fiktional, aber wir wollten sie in der Realität verankern. Obwohl Elizabeths Methoden nicht besonders ethisch sind, sind sie dennoch klinisch machbar. Und für jene 5% von uns, die hochsuggestibel, also leicht beeinflussbar sind („Virtuosen“, wie man in der Fachsprache sagt), ist das ganz schön beängstigend!«
Die Musik ist zwar nicht so aufdringlich wie bei Trainspotting, unterstreicht jedoch den hypnotisch-visuellen Ton des düsteren Verwirrspiels. Boyle arbeitet dabei viel mit mosaikartigen Bildern, knalligen Farben und Kontrasten und führt den Zuschauer immer wieder in eine andere Richtung, die man hätte erwarten können. Das Psychospiel unterstreichen die Akteure mit ihrem souveränen Stil und machen den Film zu einem echten Film noir.
Trotz alledem bietet die Geschichte nicht genug Spannung und lässt den Zuschauer am Ende vermuten, dass der Film lediglich wegen dem Hypnosespiel gedreht wurde. Dem Film fehlt irgendwie ein wenig cooler Appeal und der zu Beginn einsetzende und dann immer mehr abflauende Schwung. Aber immerhin erzählt Boyle diesmal eine kontinuierliche Geschichte und wandert nicht während des Films von einem Genre zum anderen. ■ mz
19. August 2013
Thriller
GB 2013
101 min


mit
James McAvoy (Simon)
Vincent Cassel (Franck)
Rosario Dawson (Elizabeth)
Danny Sapani (Nate)
Matt Cross (Dominic)
Wahab Sheikh (Riz)
Mark Poltimore (Francis Lemaitre)
Tuppence Middleton (junge Frau im blauen Auto)
Simon Kunz (Chirurg)
u.a.

drehbuch
Joe Ahearne, John Hodge

musik
Rick Smith

kamera
Anthony Dod Mantle

regie
Danny Boyle

produktion
Pathé
Cloud Eight Films
Ingenious Media
Decibel Films
Film4

verleih
20th Century Fox


vorspann
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abspann
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erwähnung
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