Don Jon
© Ascot Elite
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Multitalent Joseph Gordon-Levitt, oder @HitRecordJoe, wie er sich in Verbindung mit seiner Firmenmarke im Netz nennt, hat seinen ersten Film geschrieben, produziert, gedreht und natürlich die Hauptrolle gespielt. In Don Jon spielt JGL, wie er oft abgekürzt genannt wird, den Frauenschwarm Jon Martello (unverkennbar ein Italiener), der am Wochenende in seinem Stammclub auf die Pirsch geht und garantiert die schönste Lady ins Bett bekommt. Seine Freunde nennen ihn ehrfurchtsvoll „Don Jon“, in Anlehnung an Don Juan, den größten Frauenheld der Literatur.
Wäre da nicht sein Problem mit dem Sex. Selbst die heißesten Affären können ihn nicht so sehr befriedigen wie die Pornos, die er im Internet schaut. Dabei ist er sonst ein Mann, den sich alle Frauen wünschen würden: Er geht sonntags in die Kirche, isst mit seiner Familie zu abend und kümmert sich nicht nur um sein Auto, sondern auch um seine Wohnung und seinen Körper!
Als er eines Abends die Frau trifft, von der jeder Mann träumt, ist es um ihn geschehen: Die aufreizende Barbara Sugarman, in Form von der ebensolchen Scarlett Johansson, wickelt Jon um den kleinen Finger. Und auf den ersten Blick passt die Kaugummi kauende Blondine zu ihm wie die Faust aufs Auge. Er stellt sie sogar seiner Familie vor, die überglücklich ist, dass ihr Schützling endlich eine Frau fürs Leben gefunden hat!
Schritt für Schritt krempelt Barbara die Routine in Jons Alltag um und bastelt sich ihren eigenen Traummann. So wie die Männer in ihren Hollywood-Schnulzen, soll auch Jon sein eigenes Leben aufgeben für die Frau, die er liebt. Ein Mann, der seine Wohnung selbst putzt? Das findet Barbara unsexy und verbietet es. Ein Mann ohne richtigen Job? Für Barbara undenkbar. Sie drängt Jon zum Abschluss und zur baldigen Karriere.
Jon gehorcht, doch die Sucht nach Pornos kann er nicht unterdrücken. Er schaut sie heimlich im Auto oder in der Abendschule auf seinem Handy. Das entgeht auch Jons Mitschülerin Esther nicht. Die kontaktfreudige, aber traurig wirkende Frau schenkt Jon die DVD eines 70er-Jahre-Pornos, inszeniert von einer dänischen Regisseurin, und „nicht so ein Scheiß“ wie Jons moderne Clips, die er sich jeden Tag im Internet ansieht.
„Für Pornos gibt es auch Preise.“
Von Esthers Unverkrampftheit ist Barbara weit entfernt. Sie kontrolliert den Browser auf Jons Laptop und wird fündig: 56 aufgerufene Pornos an einem einzigen Tag. Sie fühlt sich betrogen und verlässt Jon für immer. Der kehrt schnell zu seinem alten Lebensstil zurück: neue Frauen aus dem Club, noch mehr Pornos aus dem Internet.
Doch Jon verbringt auch mehr Zeit mit seiner Mitschülerin Esther. Sie entspricht zwar überhaupt nicht seinem bewährten Beuteschema, doch in der älteren Frau schlummert eine Sinnlichkeit, gegen die der Schein aller Pornos und One-Night-Stands verblasst...
»Ein Mann, der am Computer sitzt und sich Pornos anschaut, ist für mich die perfekte Metapher eines Menschen, der andere nur als Objekte sieht und benutzt«, erzählt Joseph Gordon-Levitt. »Er hat keinerlei Beziehung zu der Frau, die er im Internet beim Sex beobachtet.
Doch irgendwann meldete sich der Schauspieler in mir und ich dachte darüber nach, wer dieser Typ sein könnte und warum er sich Pornos anschaut. Weil er keine Partnerin finden kann? Nein, das wäre unlogisch, weil er dann einsam und traurig wirken müsste. Wenn er aber ein beliebter Kerl ist, der immer die tollsten Frauen hat und trotzdem Pornos schaut, eignet er sich viel besser für die Geschichte, die ich erzählen wollte.
Meine Suche nach dem Archetypen aller Frauenlieblinge dauerte nicht allzu lang: Ich fand den legendären fiktionalen Charakter Don Juan. Doch seine Geschichte wird im Theater und in Filmen bis heute meist als Tragödie erzählt, in der er nichts dazulernt und schließlich an seinen eigenen Unzulänglichkeiten zugrunde geht.
Aber ich bevorzuge Geschichten, die ein Licht am Ende des Tunnels zeigen und Hoffnung geben. Also schrieb ich eine Komödie. Natürlich ist das schwarzer Humor und der Typ, den ich spiele, wirkt ziemlich widerwärtig, wenn man ihn zum ersten Mal trifft. Aber am Ende wird er durch die Liebe gerettet, weshalb man den Film auch als Liebesfilm sehen kann. Wenn auch als verdammt ungewöhnlichen Liebesfilm.«
Der Film, der auf der Berlinale noch unter dem Titel Don Jon's Addiction lief, erinnert ein wenig an das Programm von Mario Barth („Freundin! Kennste, wa?“), in dem er das merkwürdige Verhalten von geschlechtsreifen Paaren komödiantisch mit Anekdoten beschreibt, die man hier zum Teil wiederfinden kann.
Das Erstlingswerk von James Francos größtem Konkurrenten in Sachen Hyperaktivität kommt schnittig daher (Und damit meine ich jetzt nicht die Hauptdarstellerin! Okay, vielleicht unterbewusst.), verliert jedoch in der zweiten Hälfte an Tempo, was eventuell auch so gewollt war, um den Kontrast zwischen der heißen „10“ und der älteren, völlig entspannten Kommilitonin zu unterstreichen.
Was das Thema Pornos angeht, hält sich der Film in der expliziten Darstellung stark zurück, was zu begrüßen ist und letztlich in der „Freigabe ab 16 Jahre“ mündet. In der Tat kann man den Film als Liebesfilm bezeichnen, ja sogar als fast bahnbrechend ersten Liebesfilm, der nicht nur für Frauen gemacht wurde!
Das einzige, das einen ein wenig faden Nachgeschmack bringt, ist das offene Ende. Genau zu dem Zeitpunkt, an dem sich Jon entscheiden muss, hört der Film auf, als wenn jemand den Netzstecker vom Projektor gezogen hat. Da hatte wohl der Produzent JGL dem Drehbuchautor JGL das Handwerk gelegt, denn mit gerade mal 90 Minuten ist der Film ungewöhnlich kurz gehalten - vermutlich um die Aufmerksamkeit des männlichen Publikums nicht zu strapazieren, denn in erster Linie ist es schließlich doch: ein Liebesfilm... ■ mz