Tage am Strand
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Tage am Strand erzählt von zwei Freundinnen, die seit ihrer Kindheit unzertrennlich sind. Lil und Roz heiraten zur gleichen Zeit, bekommen zur gleichen Zeit Söhne und können ohne einander nicht sein. Als ihre Ehemänner aus ihrem Leben verschwinden und die Söhne größer werden, beginnt jede mit dem Sohn der anderen ein Verhältnis. Das Drama nimmt seinen Lauf...
Doris Lessing, die erst vor kurzem gestorben ist, schrieb ihre Erzählung vor 10 Jahren mit Figuren nicht näher bestimmter Nationalität, doch sie bestätigt, dass die Ursprünge der Story in Australien liegen. »Es war ein junger Australier, der ihr eines Tages die Geschichte erzählte, und dieser junge Mann war ein Freund einer der Söhne«, erinnert sich Regisseurin Anne Fontaine an ihr erstes Gespräch mit der Autorin. »Er erzählte Doris, er sei eifersüchtig gewesen, nicht selbst Teil der Handlung gewesen zu sein.«
Die Geschichte ist so simpel, dass Anne Fontaine die Erzählung aufblasen musste, damit sie auf eine Filmlänge kommt. Während der deutsche Filmtitel eher auf einen Urlaubsflirt hindeutet, geht es doch im Film eher um das Verhältnis der beiden Frauen in ihrer gesamten Lebenszeit. Nicht umsonst heißt Lessings Erzählung auch „Die Großmütter“ (im Original „Two Grandmothers“).
Beide Frauen leben mit ihren Familien jenseits irgendeines australischen Kaffs. Begegnungen mit familienfremden Personen sind auf Job- und Einkaufbegegnungen begrenzt. Viel mehr ist dort auch nicht los. Lils Ehemann kommt bei einem Unfall ums Leben, Roz' Ehemann akzeptiert, dass seine Frau lieber mit ihrer Freundin zusammen ist und verliert dadurch immer mehr seine Familie. Als er einen Job in Sydney annimmt, bedeutet das schon bald das Ende ihrer Partnerschaft.
Lil und Roz bleibt also nichts anderes übrig, als ihre Zeit miteinander zu verbringen. Als die beiden Frauen eines Tages am Strand ihre prachtvollen Söhne bewundern, kommt Roz unterschwellig auf romantische Gedanken, die Lils Sohn Ian eines Abends ausnutzt und Roz Avancen macht. In einem Augenblick der Schwäche willigt sie ein und der Liebesreigen beginnt.
Als Roz' Sohn Tom dies herausfindet, bekommt die brüderliche Freundschaft der beiden Nachbarssöhne, die bisher die BFF-Tradition ihrer Mütter fortgesetzt hatten, einen Knacks. Aus Rache macht sich Tom nun an Ians Mutter Lil heran. Diese hält dem strebsamen Jüngling nicht lange Stand. Als Lil schließlich Toms wahre Beweggründe erfährt, gerät auch die Freundschaft der Mütter in Gefahr.
Der Film bzw. die Geschichte streift das Thema Inzest nur am Rande, denn die Verliebten sind ja nicht miteinander verwandt. Man könnte es eher mit Hitchcocks Der Fremde im Zug vergleichen, wo sich zwei Fremde begegnen und ein Mordkomplott schmieden, den jeweiligen Partner des Anderen zu ermorden. Allerdings ist das Einzige, das hier ermordet wird, die Liebe.
Diese familiäre Liebesbeziehung über Kreuz lockt nun wirklich niemanden unterm Hocker hervor. Skandal sieht anders aus. Auch halten sich die Liebesszenen eher bedeckt, um nicht schmutzig zu wirken. Und schließlich löst sich die Geschichte dann auch wieder in Wohlgefallen auf, da die Freundschaft der beiden Frauen ihrer Beziehungsproblematik standhält.
Als Tom dann seinem Vater in die Großstadt folgt, kommt natürlich Eines zum Anderen und er verliebt sich in eine Frau seines Alters. Roz, der bewusst ist, dass auch Ian eine gleichaltrige Freundin braucht, beschließt die Trennung mit dem Argument, auch Toms und Lils Beziehung sei vorbei. Ian zerbricht fast daran. Nach einem Surf-Unfall lässt er sich von Hannah trösten, die ihn schon länger heimlich liebt, und heiratet sie, nachdem sie schwanger geworden ist.
Die beiden Freundinnen sind Großmütter geworden, das Leben hat sie noch unzertrennlicher gemacht. Zusammen mit ihren Söhnen, ihren Enkeln und ihren Schwiegertöchtern verbringen sie wieder Tage am Strand. Doch die Idylle ist trügerisch. Als Ian eines Abends beim familiären Zusammensein verbal Amok läuft, verlassen Mary und Hannah, die Frauen der Jungs, mit ihren Kindern fluchtartig die Häuser am Strand. Sie wollen nie wieder etwas mit ihren Männern, die sie belogen haben, zu tun haben.
Die beiden Frauen und ihre Söhne bleiben am Strand zurück. Sind sie nur Opfer ihrer eigenen Begierden geworden, oder ist es vielleicht doch Liebe? Wenn klassische gesellschaftliche Erwartungen erzwungen werden, wenn die wahre Liebe außen vor bleibt, dann muss diese Blase irgendwann implodieren. Dass der Film dies ebenfalls tut, ist im Vorfeld nicht unbedingt zu erkennen, aber trotzdem schade.
Das Ende wirkt gefällig und rund. Man hat irgendwie Mitleid mit den Mädels, die von ihren Männern belogen wurden, doch aus den Augen - aus dem Sinn. Und genau das passiert auch mit dem Film, nachdem man ihn gesehen hat. Die verklimperte Filmmusik passt da genauso rein. Die Schauspieler tun zwar alles, um die Geschichte so glaubwürdig wie möglich zu machen, doch das Ganze wirkt wie ein Softporno ohne Porno. Anstößig geht anders, und unterhaltsam auch. ■ mz