Für den Produzenten Uli Aselmann begann mit einer doppelten Niederlage: Zunächst bekam er keine Eintrittskarte, weil das prominent besetzte Theaterstück an der Komödie am Kurfürstendamm über Monate hinweg ausverkauft war, danach bekam er nicht die Filmrechte, weil eine andere Produktionsfirma sie bereits optioniert hatte. Kein Wunder – damals sprach die ganze Branche über den Bühnenhit des Deutsch-Isländers Kristof Magnusson.
2003 war sein „Männerhort“ am Schauspiel Bonn uraufgeführt worden, im November 2005 sorgte die Berlin-Premiere mit Bastian Pastewka, Christoph Maria Herbst, Michael Kessler und Jürgen Tonkel in den Hauptrollen für Furore. Mehr als 200 Mal gewährten die Komödienstars tiefe Einblicke in die Seelen deutscher Männer, die im Keller des Einkauftempels „Happy Center“ ihren geheimen Rückzugsort geschaffen haben, um dem Einkaufswahn ihrer Ehefrauen zu entfliehen.
Mehrere Jahre und einige Hunderttausend Zuschauer später bekam Uli Aselmann dann doch endlich die Rechte, »weil der andere Interessent kein passendes Konzept fand, um aus dem Theaterstück einen Film zu machen.« Der Produzent hatte eine klare Vorstellung, wie er den „Männerhort“ fit für die Leinwand und die heutige Zeit machen wollte: »Anders als im Theater will ich im Kino möglichst viel Schauwert bieten, weshalb ich neben den vier Männern im Keller auf jeden Fall auch ihr Zuhause und ihre Frauen zeigen wollte. Außerdem aktualisieren wir das Shopping-Thema, indem die Frauen übers Internet einkaufen und die Männer am Wochenende alle Retourpakete zur Postfiliale im Einkaufszentrum bringen.«
Auch der Männerhort selbst sollte an einen anderen Ort umziehen: »Ein Heizungskeller in einer Shopping Mall ist ein bisschen 90er Jahre, deshalb richten unsere Jungs ihren Männerhort in der zentralen Heizungsanlage ein, die ihre ganze Neubausiedlung mit Wärme und warmem Wasser versorgt«, sagt Uli Aselmann. Aber das war nur der Anfang der Veränderungen. Für einen Film musste natürlich auch das Drumherum erzählt werden. So spuken dann dem entsprechend die Partner/innen sicht- und hörbar umher.
Mit Cosma Shiva Hagen, Lisa Maria Potthoff, Jasmin Schwiers und Dominic Boeer prominent besetzt, wird außerhalb des Männerhorts viel gezetert. Aber auch hinter der Kamera musste der geballten Testosteronausschüttung entgegen gewirkt werden. Regisseurin Franziska Meyer Price hatte mit Elyas M’Barek schon die Serie Doctor’s Diary und die Fernsehkomödie Undercover Love gedreht, auch Detlev Buck war unter ihrer Regie in einer Folge von Edel & Starck zu Höchstform aufgelaufen.
Und das tun auch alle Beteiligten - allerdings ein wenig zu sehr. Es scheint, als würden alle so spielen, als würden sie auf einer Bühne stehen, überagieren, damit auch der Letzte ganz hinten alles mitbekommt. Hinzu kommt eine quietschbunte Farbgebung im Film, damit man zusätzlich auch noch visuell überladen wird, sowie die Kameraeinstellungen und das Bildformat, die zusammen wie ein grandioser Abendspielfilm bei RTL wirken, was jedoch nicht zum Kino passt.
Durch die zusätzlichen Geschichten und Figuren um die Männer im Hort findet nur noch knapp die Hälfte des Films dort statt. Einige Gags wurden von dem Theaterstück übernommen, andere mussten der erweiterten Handlung weichen, neue kamen hinzu - bekannte als auch neue Gags, die hin und wieder unter der Gürtellinie landen.
Die stärkste Änderung im Vergleich zum Theaterstück durchlief die Rolle des Brandschutzbeauftragten Mario, aus dem im Film der türkische „Facility Manager“ Aykut wurde. Nach einem langen Castingprozess empfahl Castingdirektor Emrah Ertem den Berliner Serkan Çetinkaya, der zuvor mit seiner Süper Tiger Show im Internet und auf zdf_neo aufgefallen war.
Obwohl der studierte Jurist kein klassisch ausgebildeter Schauspieler ist, erkannte Produzent Uli Aselmann in ihm »etwas Sonniges« und besetzte ihn als türkischen Vorzeigemacho, der bedrohlich mit seinem »gekröpften 55er Ringmaulschlüssel mit extraharter Chrom-Vanadium-Legierung« schwingt, unter dessen harter Schale aber ein weicher Kern steckt.
Elyas M’Barek war ursprünglich für die Rolle des Aykut vorgesehen, sagte jedoch für die Rolle des Softwareentwicklers Eroll zu. Dieser Part ist frei von jedem Migrationshintergrund, Eroll spricht Hochdeutsch, hat sogar eine „Döner-Allergie“ und darf sich in einer Szene des Films darüber aufregen, dass ihn alle Welt ständig „antürkt“.<
Einzig Christoph Maria Herbst ist als Einziger aus dem Schauspielerquartett des Bühnenerfolgs zu sehen: »Für mich ist das ein bisschen wie nach Hause zu kommen. Ich habe diesen Lars über 200 Mal im Theater gespielt, das war jeden Abend wie Rock'n'Roll. Einige Jahre später erhielt ich dieses Drehbuch. Das war ein Wiedersehen mit alten Bekannten und fühlte sich irgendwie gut an.«
Detlev Buck war anfangs als Regisseur im Gespräch und hätte fast 20 Jahre nach seinem Komödienhit Männerpension nun auch den Männerhort drehen können. Seine zeitliche Verfügbarkeit hatte jedoch nicht für eine ausreichende Vorbereitung gereicht, aber er hat dann gerne den Männerhort-Gründer Helmut gespielt, nachdem die Autoren diese Rolle gezielt auf Bucks nordisch trockenen und hintersinnigen Humor umgeschrieben hatten.
Der zweifach mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnete Michael Gwisdek ist so etwas wie der stille Star im Film und muss als rätselhafter „Mann mit Strickjacke“ immer nur schauen, aber nie sprechen. »Michael Gwisdek ist ein hinreißender und lustiger Mensch, aber er redet im normalen Leben ohne Punkt und Komma viele Stunden lang«, verweist Regisseurin Franziska Meyer Price auf ihre Erfahrungen von früheren Dreharbeiten. »Deshalb konnte ich es mir einfach nicht verkneifen, ihm eine Rolle anzubieten, in der er keinen einzigen Ton sagen darf.«
Michael Gwisdek empfand das Angebot als »Sechser im Lotto« und sagte sofort zu: »Ick kieke wie Clint Eastwood, und jeder Zuschauer wird sich fragen, warum dieser Mann überall in der Siedlung rumsteht und nichts sagt. Ist er von der CIA? Ist er ein Spanner? Selten ist über eine meiner Rollen so viel diskutiert worden wie über diese.«
Übrigens: Das Möbelhaus IKEA testete 2011 im australischen Sydney ein „Manland“. Hier konnten Frauen ihren Mann abgeben, der mit Spielkonsole, Flipperautomat, Hotdogs und Cola bespaßt wurde. Allerdings erinnerte ein Buzzer die Frauen nach einer halben Stunde daran, den Liebsten nach dem Einkauf wieder abzuholen. Vorbild für das „Manland“ war das „Småland“ zur Betreuung der Kinder.
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Als reiner Film, ohne Vorkenntnisse des Theaterstücks, ist Männerhort ein recht unterhaltsamer Spaß für eine jugendliche Zielgruppe. Es gibt dann auch noch gefühlsdus(s)elige Szenen für sensible Zuschauer/innen. Man läuft jedoch keine Gefahr, eine bipolare Störung zu bekommen. Dazu fehlt einfach der Tiefgang. Männerhort ist eine klassisch-deutsche Klamotte, in der es darum geht, peinliche Situationen zu meistern. Wer das Theaterstück kennt und liebt, wird nicht nur bei Sichtung des Films die Abstriche erkennen, sondern auch enttäuscht das Kino verlassen. ■ mz
19. Oktober 2014
Komödie
D 2014
98 min
mit
Elyas M’Barek (Eroll)
Christoph Maria Herbst (Lars)
Detlev Buck (Helmut)
Serkan Çetinkaya (Aykut)
Cosma Shiva Hagen (Connie)
Lisa Maria Potthoff (Anne)
Jasmin Schwiers (Marion)
Dominic Boeer (Alex)
Michael Gwisdek (Mann in der Strickjacke)
u.a.
drehbuch
Rainer Ewerrien, David Ungureit
nach dem Theaterstück von Kristof Magnusson
musik
Christoph Zirngibl
kamera
Bernhard Jasper
regie
Franziska Meyer Price
produktion
Constantin Film Produktion
d.i.e. Film GmbH
verleih
Constantin Film
vorspann
-
abspann
-
erwähnung
-
D 2014
98 min
mit
Elyas M’Barek (Eroll)
Christoph Maria Herbst (Lars)
Detlev Buck (Helmut)
Serkan Çetinkaya (Aykut)
Cosma Shiva Hagen (Connie)
Lisa Maria Potthoff (Anne)
Jasmin Schwiers (Marion)
Dominic Boeer (Alex)
Michael Gwisdek (Mann in der Strickjacke)
u.a.
drehbuch
Rainer Ewerrien, David Ungureit
nach dem Theaterstück von Kristof Magnusson
musik
Christoph Zirngibl
kamera
Bernhard Jasper
regie
Franziska Meyer Price
produktion
Constantin Film Produktion
d.i.e. Film GmbH
verleih
Constantin Film
vorspann
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abspann
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erwähnung
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