Philomena
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Stephen Frears beschert uns einen neuen Kinofilm. Waren Helen Mirrens Augen in The Queen bestechend für das Drama um Lady Dis Tod, so ist Judy Denchs direkter Kamerablick in „Philomena“ im Wesentlichen verantwortlich für das berührende Element dieses Films.
Philomena, eine fast 70 Jahre alte Dame, hat den Kummer über den Verlust ihres 3 jährigen Sohnes über all die Jahre still ertragen. Anthony war ihr erstgeborenes Kind. Sie war damals gerade 20, ein junges Mädchen, das Kind auch noch unehelich, ohne Vater - und das in einer streng katholischen, irischen Gesellschaft. Die schwangere Philomena wird einem Kloster überlassen. Nonnen übernehmen, im Glauben christlich zu handeln, die Adoption dieser moralisch untragbaren Kinder. Keines der Mädchen hatte die Wahl, sich gegen eine Zwangsadoption zu entscheiden, die spätere Suche nach den Kindern, vertraglich verboten.
Doch das Trennungstrauma bleibt bestehen und Philomena will endlich wissen, was aus ihrem Sohn geworden ist. Auf Umwegen gerät sie mit ihrer Geschichte an einen geschassten Politjournalisten, der sich gerade nach dem unfreiwilligen Ende seiner Karriere bei der BBC, im Vakuum der Arbeitslosigkeit befindet.
Zunächst hat der arrogante Martin Sixsmith überhaupt kein Interesse an rührseligen „Human-Interest“ Geschichten, die mit nach Aufmerksamkeit kreischenden Überschriften um die Leserschaft buhlen. Schließlich war er zuvor BBC-Korrespondent der Labourpartei und mit politisch relevanten Themen betraut. Um das Auftragsloch wenigstens übergangsweise zu schließen, nimmt er sich dieser ungeheuerlichen Geschichte der organisierten Zwangsadoption im Kloster an, die Philomena ihm zunächst zaghaft offenbart.
Stephen Frears setzt dabei auf seine ungleichen Protagonisten, die sich erst im Verlauf der Geschichte zusammenraufen müssen. Philomena als tiefgläubige, alte, bisweilen naive, alte Dame, die über ihren Arztroman nie die Weiten der Welt erkundet hat - im Gegensatz zu Sixsmith, der sein eloquentes Weltwissen gern zur Schau stellt und ihr mit distantem Zynismus und britischem Humor begegnet.
Während der Recherche über den zunächst unauffindbaren Sohn, entwickeln sich die beiden zu einem gleichsam traurigen, wie auch komischen ungleichen Paar. Dabei verhält sich der Filmplot zeitweise wie ein Thriller, wenn es um die Vergehen der Kirche geht, oder wie eine Komödie, wenn die Gegensätzlichkeit der Protagonisten aneinanderprallen, und wie ein Roadmovie, wenn die Recherche sie zunächst durch Irland und schließlich in die USA schickt.
Mit den USA betrieben die Nonnen seinerzeit einen lukrativen Kinderadoptionshandel. Philomena und Sixsmith stoßen schließlich auf Anthonys Geschichte, die sie am Ende wieder nach Irland ins Kloster führt, wo die Mauern des Schweigens dem Druck der Wahrheit nicht mehr standhalten können.
Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Der Journalist Martin Sixsmith hat tatsächlich das dem Film zugrunde liegende Buch „Lost Child of Philomena Lee“ geschrieben. Den Termin der Buchveröffentlichung der deutschen Ausgabe mit dem Titel „Eine Mutter sucht ihren Sohn“ teilen sich Buch und Film gleichermaßen.
Die Ernsthaftigkeit des Themas „Zwangsadoption“, das sich nachweislich genauso oder ähnlich auch in anderen Ländern abgespielt hat, z.B. in Spanien, ist keine leichte Kost. Stephen Frears hat mit den Drehbuchautoren, Steve Coogan und Jeff Pope, daraus einen eher komödiantischen Stoff entwickelt, der den schwerwiegenden Fakten etwas Leichtverdauliches beimischt. So spricht der Film eine weite Spannbreite an Kinozuschauern an.
Vielleicht ist es gerade das Besondere an dieser Mischung aus Dramatik mit einer ordentlichen Portion Humor, die den Film so ansprechend macht. Bei vielen Kollegen hoch gelobt, bleibt bei mir eher das Seichte hängen - ein Feelgood-Movie für den netten Kinoabend. Meine Ansprüche an Kinounterhaltung bleiben dabei im Wesentlichen auf der Strecke. Mehr Tiefgang hätte dem Film nicht geschadet. Die schauspielerische Leistung der Protagonisten jedoch trägt den Film über so manchen Makel hinweg. ■ bh