Kinostarts September 2015
Sebastian Zöllner hat in letzter Zeit nicht viel Glück gehabt. Er schreibt Kunstkritiken, ohne sich für Kunst zu interessieren oder es zu einer festen Anstellung gebracht zu haben, und seit seine Freundin ihn hinausgeworfen hat, hat er nicht einmal mehr ein Dach über dem Kopf. Er ist so ein richtig schmieriger Journalist, was das Klischee hergibt, und stellt schon mal das Drehregal mit Büchern der Konkurrenz in den Regen.
Ein großer Coup soll Abhilfe schaffen: Zöllner will eine aktuelle Biographie über den fast in Vergessenheit geratenen Maler Manuel Kaminski schreiben. Kaminski ist der letzte lebende Vertreter der Klassischen Moderne, Schüler von Matisse und Freund von Picasso, aber berühmt wurde er durch ein Missverständnis: Eines seiner Bilder gerät in den 60ern eher versehentlich in eine Pop-Art-Ausstellung, präsentiert mit dem Titel „Painted by a Blind Man“.
Eine nette Montage von alten Videos und Bildern eröffnet den Film, was dem Zuschauer einen fulminanten Einstieg in die Geschichte liefert. Wir erfahren von seinen Lehrjahren bei Matisse, seiner Begegnung mit der Pop-Art, seinen Erfolgen als blinder Maler in Paris und New York, seinen Auftritten im Jetset der 50er und 60er Jahre und seinem späteren Rückzug in die Schweizer Berge. Mal sind es Wochenschauen, die diese fiktive Biographie beglaubigen, mal Ausschnitte aus Interviews mit berühmten Künstlern, mal nachgedrehte und auf alt getrimmte Szenen mit Schauspielern.
Immer wieder, wenn die Geschichte zu dröge wird, bekommt der Zuschauer einen von Zöllners Gedanken zu sehen - ein genialer Schachzug, um das Publikum bei der Stange zu halten, aber auch nicht viel mehr. Manche dieser Vorstellungen sind schon recht explizit, wie das Dezimieren des Zugbegleiters, was die FSK-Freigabe „ab 6 Jahre“ in Frage stellt. Der Film versucht krampfhaft, lustig zu sein, und manche Szenarien sind es auch, aber im Endeffekt handelt es sich hierbei um ein Drama über „Blindheit in vielfachem Sinn, über Ehrgeiz und Kunst, über Lüge, Wahrheit und Medien und über das ewige Duell zwischen Alter und Jugend“, wie es der Autor beschreibt.
Und es ist ein Road Movie über zwei Männer auf dem Weg zum Meer (hatten wir schon so oft) und der letztlichen Einsicht, Fehler begangen und andere Menschen falsch eingeschätzt zu haben. Es ist ein blasser Film, auch wenn er oft in knalligen Farben schimmert, ganz so wie sich die Künstler sehen bzw. gesehen werden wollen. Viel Schall und Rauch kommen aus Zöllners Mund, und oftmals kann man die Menschen in seinem Umfeld verstehen, warum sie sich von ihm abwenden.
Es fehlt dem Film einfach an Sympathiefiguren. Auch die Chemie zwischen den Hauptdarstellern haut nicht so recht hin. Vielleicht liegt dies auch an der Erzählweise des Drehbuchs, das aus der Ich-Form im Buch nach außen transportiert wurde. Was nach den zwei Stunden hängen bleibt, sind ein paar Anekdoten, wie z.B. Geraldine Chaplins Auftritt gegen Ende des Films: Die große Liebe kann sich nicht mehr an Kaminski erinnern, guckt TV-Shows und backt trockenen Pustekuchen. Und das ist der Film schließlich auch - ein Film über einen vergessenen Maler (dessen Ausstellung passenderweise derzeit im ►Berliner Bikini zu sehen ist), vergessene Liebe und vergessene Kunst - kurzum: Man kann sich den Film ansehen, hat ihn aber schon bald wieder vergessen. Schade. ■ mz