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The Hateful 8
The Hateful Eight
Kopfgeldjäger John Ruth hat die gesuchte Daisy Domergue im Schlepptau und will die 10.000 Dollar Kopfgeld für sie einstreichen. Doch dafür muss er erst einmal eine Nacht in einer eingeschneiten Hütte in Wyoming überleben, in der sich neben ihm und Daisy noch sechs weitere Gestalten befinden. Keinem ist zu trauen, jeder könnte mit jedem paktieren, jeder könnte verdeckte Absichten haben. Und während sich die misstrauischen Acht gegenseitig belauern, steigert sich die Anspannung bis zum Siedepunkt.
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»The Bar is open, follow me!« - Oswaldo Mobray

Es ist Quentin Tarantinos achter Film (von Tarantino selbst anvisierten 10). Und er hat nicht nur die 8 im Titel, sondern auch 8 Hauptfiguren. Zum Glück ist der Film nicht auch acht Stunden lang, obwohl man das bei dem Enfant terrible der Filmindustrie hätte erwartend vermuten können. Aber nein, er ist „nur“ knappe 3 Stunden lang, und das lediglich die 70-mm-Fassung, die es nur in ausgewählten Kinos zu sehen gibt. Alle anderen Kinobesucher müssen bei der digitalen Fassung trotzdem gute zweieinhalb Stunden Sitzfleisch mitbringen.

Der Grund, warum das so ist, liegt in Tarantinos Vorliebe für das »glorreiche 70-mm-Format«, das durch die digitale Technikrevolution quasi ausgestorben ist. Er ging dann noch einen Schritt weiter und entschied sich für das fast vergessene Ultra Panavision 70, das zuletzt im Jahre 1966 bei Khartoum – Aufstand am Nil zum Einsatz gekommen war. Für dieses Format werden anamorphotische Linsen verwendet (im Gegensatz zu den herkömmlichen sphärischen Linsen), die ein atemberaubendes Breitwandformat von 1:2,76 erzeugen. Ultra Panavision 70 wurde nur bei einer Handvoll Filmen verwendet, darunter Meuterei auf der Bounty, Eine total, total verrückte Welt, Die größte Geschichte aller Zeiten und Die letzte Schlacht.

»Mit 70 mm fängt man öde Westernlandschaften, Schneewüsten, aber auch attraktivere Schauplätze perfekt ein«, erklärt Tarantino und ergänzt, dass das Format auch Innenaufnahmen voll zur Geltung bringt. »Ich bin fest überzeugt, dass das Breitwandformat für größere Intimität sorgt. Du bist näher an den Figuren dran. Ich glaube nicht, dass dieses Format sich nur für Reiseberichte eignet.«

»Es sind acht Leute im Raum, und so können wir das Bild nach und nach mit immer mehr von ihnen füllen«, erklärt Kameramann Robert Richardson. »Das Publikum kann in fast jeder Einstellung sehen, wo die Figuren sich befinden. Die Breite des Bildes erzeugt ein klaustrophobisches Gefühl, weil man alle Wände gleichzeitig sieht. Du wirst eingeschlossen, und die Erfahrung des Schauspiels wird meiner Meinung nach multipliziert.«

Und eben diese Erfahrung will der Regisseur mit seinen Fans teilen. Da allerdings die Kinoindustrie bereits die meisten Filmtheater auf digitale Projektion umgerüstet hat, gibt es eben zwei Fassungen - eine 70-mm-Langfassung mit einer Ouvertüre, in der zu einem gemalten Bild die markante Filmmusik von Ennio Morricone zu hören ist, sowie Intermezzotafeln zur Pause in der Mitte des Films, sowie eine kürzere Fassung ohne Ouvertüre und Intermission, die für die digitale Projektion mit teilweise anderen Einstellungen oder Schnitten aufwartet. Unwahrscheinlich ist auch, dass die 70-mm-Fassung auf digitalen Medien erscheinen wird.

Als Cineast und Liebhaber der Filmhistorie sorgte Tarantino dafür, dass The Hateful 8 zum US-Start am 25. Dezember 2015 ausschließlich in Kinos mit einer 70-mm-Projektionsanlage lief. Eine aufwändige zweiwöchige Roadshow in hundert verschiedenen Kinos sollte eine fast vergessene Tradition aufleben lassen. »Es waren die Roadshows«, erklärt Tarantino, »die Filme, zumeist Musicals oder historische Epen, schon vor ihrem Kinostart zu etwas Besonderem machten. Da lief nicht bloß irgendwas in deinem Kino – das waren große Shows mit Vorprogramm, etwa einer Ouvertüre des Soundtracks im Stil einer Broadway-Show. Wenn du schon einen Film in 70 mm rausbringen wolltest, dann musstest du es so machen. 24 Bilder flackern pro Sekunde durch einen Projektor und erzeugen die Illusion einer Bewegung.«

»If the hangman catches you, he has no bullet for you.« - Marquis Warren

Samuel L. Jackson spielt den Kopfgeldjäger Major Marquis Warren. In seiner ersten Szene sieht man ihn mit mehreren Leichen, für die er in Red Rock die Belohnung kassieren will. »Major Warren war früher Sklave und Kavallerist«, beschreibt er seine Figur. »Er meldete sich freiwillig, um im Krieg töten zu können. Er ist immer noch so. Er ist schlauer, als die Leute denken. Er ist sehr eloquent, redet aber nur, wenn es nötig ist. Er ist schnell am Abzug. Er bringt dich lieber um, als mit dir zu reden. Unsere acht Leute sind sehr verschieden. Jeder ist auf seine eigene Weise gefährlich, jeder ist auf seine Weise hasserfüllt. Es wird den Leuten Spaß machen, diesen Figuren zuzuschauen.«

Major Warren tut sich mit John Ruth und Daisy Domergue zusammen, gespielt von Kurt Russell und Jennifer Jason Leigh, um mit ihnen nach Red Rock zu fahren. Auch John „Der Henker“ Ruth ist Kopfgeldjäger, aber anders als Warren zieht er es vor, seine Opfer lebendig abzuliefern. Daisy ist die ganze Zeit an ihn gekettet. »Wenn John dich geschnappt hat«, erklärt Russell, »dann sorgt er auch dafür, dass du vor Gericht gestellt, verurteilt und anschließend gehängt wirst. Er bleibt so lange, bis du wirklich hängst. Er hat eine Schwäche für Recht und Gesetz.«

»Es gibt niemanden, an den ich lieber gekettet gewesen wäre, ganz ehrlich«, schmunzelt Leigh über die einmalige Erfahrung, während des gesamten Drehs an Kurt Russells Hüfte gefesselt zu sein. »Im Spaß nannten wir es eine Ehe. Allerdings eine zerrüttete Ehe. Sozusagen „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ im Wilden Westen.« Und über ihre Figur sagt sie: »Sie ist ziemlich furchtlos, ein mutiges Mädchen, und sie hat etwas von einem Tier.«

Unterwegs begegnen Warren, Ruth und Domergue einem gewissen Chris Mannix. »Chris reist per Anhalter durch den Schneesturm. Er ist die pure Negativität«, sagt Walton Goggins über seine Figur. »Er ist die Art Mensch, die ein Streichholz anzündet und dann den Raum verlässt, nur um für Chaos zu sorgen.«

Bei Minnies Kurzwarenladen trifft das Trio auf eine Gruppe von Outsidern, die dort den Sturm abwarten. Demián Bichir spielt Bob, der den Laden schmeißt, so lange Minnie unterwegs ist. »Es ist eine große, wunderbare Begegnung in der Hölle«, beschreibt Bichir die Lage nach der Komplettierung des achtköpfigen Ensembles. »Jedenfalls, wenn die Hölle eine Hütte inmitten eines Schneesturms ist, wo nichts so ist, wie es scheint.«

Michael Madsen („back from a long trip“), der den Cowboy Joe Gage spielt, findet, dass die Story auch über den Konflikt der titelgebenden Acht hinaus Relevanz besitzt. »Sie handelt von unserer Gesellschaft, von den psychologischen Grenzen, die die Menschen voneinander trennen. Die Figuren sind lauter Probanden mit Cowboyhüten.« Madsen ließ es sich nicht nehmen, auch dann bei den Dreharbeiten dabei zu sein, wenn er selbst nicht gebraucht wurde. »Diese Figuren sind so unterschiedlich. Es war wunderbar, ihnen bei ihrer jeweiligen Entwicklung zuzusehen«, konstatiert er. »Tim Roth und Samuel L. Jackson habe ich am liebsten beobachtet. Das war ein Heidenspaß.«

Tim Roth verkörpert Oswaldo, den britischen Henker von Red Rock. Für Roth war es ein besonderes Vergnügen, wieder einmal Tarantinos unnachahmliche Dialoge sprechen zu dürfen. »Quentin schreibt wie niemand sonst«, sagt Roth. »Schlechte Dialoge sind schwer zu lernen, weil irgendwas in deinem Kopf sich gegen sie sträubt. Dieses Zeug dagegen ist weich wie Seide. Normalerweise denkt Quentin schon beim Schreiben an dich, aber selbst wenn du eine andere Rolle übernimmst, geht alles ganz leicht.«

Bruce Dern spielt den Konföderiertengeneral Sanford Smithers. »Er ist ein Überbleibsel aus einer Ära, die nicht mehr existiert«, charakterisiert Dern seine Rolle. »Er ist aus der Zeit gefallen. Er fragt sich, was er mit dem Rest seines Lebens anstellen soll. Seine Frau ist tot, der Krieg vorbei, sein Sohn verschwunden. Was seine Zukunft und Vergangenheit betrifft, ist er die ehrlichste Figur des Films.« Die Zusammenarbeit mit Tarantino erwies sich für den erfahrenen Filmstar als erstaunlich lehrreiche Erfahrung. »Er ist der einzige Regisseur, von dem ich nun behaupten kann: „Ich bin ein Absolvent der Tarantino-Universität“«, schmunzelt Dern. »Das war eine komplette Ausbildung im Filmemachen, im Schauspielern und in allem anderen.«

Zoë Bell spielt 6-Pferde-Judy, die ihren Namen der Tatsache verdankt, dass sie ein sechsköpfiges Pferdegespann zu beherrschen weiß. »Als ich das Buch las, war mir sofort klar, dass Quentin genau das für mich im Sinn hatte. Ich kann ehrlich sagen: Das war das Schwerste, was ich in meiner bisherigen Karriere lernen musste. Du musst nicht nur mit einem Tier kommunizieren, sondern mit sechs gleichzeitig. Und das, obwohl wir nicht gerade dieselbe Sprache sprechen.«

»Ich habe jeden denkbaren Hebel in Bewegung gesetzt, um bei diesem Film dabei zu sein«, berichtet Tarantino-Fan Channing Tatum. »Ich war bereit, alles dafür zu tun, und dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal das Drehbuch gelesen. Jetzt gehöre ich auch zum Klub der Tarantino-Ehemaligen und das ist was Feines. Am Set spürst du unter denen, die schon mal mit Quentin zusammengearbeitet haben, sofort eine spezielle Kameraderie.«

»That door is a whore!«

Aber kommen wir zum Film an sich. Wer mit Quentin Tarantinos Werken vertraut ist, kann sich vorstellen, was ihn hier erwartet. Und man wird nicht enttäuscht - vorausgesetzt man erwartet nichts Neues! The Hateful 8 ist im Prinzip eine Art Kammerspiel in einer Hütte - in Minnies Kurzwarenladen. Er hat etwas von Filmen wie John Carpenters Das Ding oder Whiteout: Eine Gruppe von Menschen sitzt irgendwo eingeschneit fest. Die Bedrohung kommt hier jedoch nicht von außen - sie ist bereits drinnen!

Jede der einzelnen Figuren wird im Laufe des in 6 Kapitel (Warum eigentlich nicht auch acht?!) unterteilten Films bis ins kleinste Detail vorgestellt. Es kommt zu (meist) verbalen Interaktionen, in denen immer wieder um Recht und Gerechtigkeit gestritten wird, um Rassismus und Staatenanimositäten gestritten wird oder einfach nur Small Talk, um herauszufinden, wer diese Vögel sind, die Minnies Kurzwarenladen in Beschlag genommen haben. Und das dauert, ist aber auch ganz amüsant, den Akteueren zuzusehen, wie sie sich gegenseitig in Dialogen auseinander nehmen.

Erst nach einem sehr langen Monolog von Samuel L. Jackson, kurz vor der Pause, bei dem man schon mal wegknicken kann, geht es so richtig zur Sache, und nach und nach werden die einzelnen Figuren dezimiert. Tarantino serviert die Abdankungen wie gewohnt deftig und drastisch, wo man sich schon Gedanken um die FSK machen sollte (Freigabe ab 16!). Nach dem „10 kleine Negerlein“-Prinzip fragt man sich: Wer wird der Nächste sein? Wer ist auf Daisys Seite? Erst bis am Ende die wahren Helden der Geschichte offenbart werden, wenn auch ordentlich lädiert, schließt sich der Handlungsbogen und lässt Interpretationen offen, ob überhaupt jemand je lebendig die Hütte verlassen hat.

Was hängen bleibt sind Running Gags wie Warrens Brief von Kriegs-Brieffreund Abraham Lincoln oder die Tür ohne Schloss, die immer wieder von innen zugenagelt werden muss, und natürlich, nicht zu vergessen: die eindringliche Filmmusik von Altmeister Ennio Morricone. In kleinen wie auch kurzen Rollen gibt es ein Wiedersehen mit Zoë Bell und Lee Horsley, der hier schon fast so aufgeplustert wie William Shatner aussieht.

Wer Tarantino-Fan ist und keine Angst davor hat, dass jede Handlungswendung bis ins kleinste Detail erläutert wird oder sich Blut und Eingeweide in der Hütte verbreiten, der ist bei The Hateful 8 bestens aufgehoben. Fans von Channing Tatum müssen sich allerdings bis zur zweiten Hälfte gedulden, bis man sich daran erinnert, dass er ja auch noch mitspielt. Prinzipiell hätte jedoch eine 2-Stunden-Version vollkommen ausgereicht. Die vielen Dialoge Kleingeschnetzeltes verlangsamen den Film ungemein, und man ist nach den 3 Stunden (mit Pause) froh, den Film „geschafft“ zu haben. ■ mz

Western/Thriller
USA 2015
169 min (70 mm)/153 min (digital)


mit
Samuel L. Jackson (Major Marquis Warren)
Kurt Russell (John „The Hangman“ Ruth)
Jennifer Jason Leigh (Daisy Domergue)
Walton Goggins (Sheriff Chris Mannix)
Demián Bichir (Bob)
Tim Roth (Oswaldo Mobray)
Michael Madsen (Joe Gage)
Bruce Dern (General Sanford Smithers)
Channing Tatum (Jody)
Zoë Bell („Six-Horse“ Judy)
Lee Horsley (Ed)
u.a.

drehbuch
Quentin Tarantino

musik
Ennio Morricone

kamera
Robert Richardson

regie
Quentin Tarantino

produktion
Double Feature Films
FilmColony

verleih
Universum Film

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