Kinostarts Juli 2016
»It's so lovely and depressing...«
Todd Solondz, dessen letzte Werke (bis auf Palindrome, 2005) es gar nicht erst ins deutsche Kino geschafft haben, übt mit Wiener-Dog nach seinem letzten großen Independent-Hit Happiness von 1998 erneut eine bissig-humorige, wenn auch recht harmlose Gesellschaftskritik in vier Episoden, zusammengehalten von einem Dackel, der auf dessen Streifzug den Verfall der Gesellschaft aufzeigt.
Zu Beginn sehen wir im Vorspann, wie der Dackel im Tierheim landet. Von dort holt ihn Danny für seinen neunjährigen Sohn Remi nach Hause, der endlich jemanden hat, mit dem er in dem Designerhaus seiner Eltern herumtoben kann - so doll, dass er völlig erschöpft mit dem Hund in den Federn der zerpflückten Kissen in der ►Boyhood-Plakat-Pose herumliegt. Als dann ein Fütterfehler (Körnerriegel) zu einem zusätzlichen Ärgernis führt, in dem der Hund das ganze Haus mit seinem verdünnisierten Darminhalt „schmückt“, beschließt Danny, den Hund einschläfern zu lassen.
Doch Tierarzt-Assistentin Dawn Wiener fasst sich ein Herz und flüchtet mit ihrem Namensvetter. Passenderweise trifft sie im Laden um die Ecke ihren Schulschwarm wieder, mit dem sie sich auf eine Odyssee begibt. Dabei nehmen sie ein Mariachi-Trio mit, das völlig desillusioniert wieder zurück nach Mexiko will und ihnen zum Abschied ein Ständchen im Motelzimmer gibt. Und schließlich läutert sie den inzwischen zum Junkie gewordenen Brandon, woraufhin sie sich ein Herz fasst und den Hund seinem mongoloiden Bruder und dessen Frau überlässt.
Es folgt eine Unterbrechung, in der der Hund vor einer animierten Prärie samt Country-Heldenlied entlang dackelt. Von da an geriet der Hund immer mehr in den Hintergrund, ist nur noch der „rote Faden“, der die Geschichten zusammenhält. Wir erfahren nicht, wie er in den Besitz des erfolglosen Drehbuchautors David Schmerz gelangte, der als Professor gelangweilt Kurse abhält, dessen Studenten nicht mal in der Lage sind, den Titel eines Films zu nennen, den sie zuletzt gesehen haben.
In der letzten Episode sehen wir den Hund bei „Nana“, einer ehemaligen Schauspielerin, im Altersheim, der von ihr auf den vielversprechenden Namen „Krebs“ getauft wurde. Tochter Zoe kommt nur alle Jahre mal vorbei, um ihr Konto anzupumpen. Diese ist mit dem schrägen Bling-Typen namens Fantasy zusammen, der sie berühmt machen will. („This is Fantasy. He has a sister called Dream.“) Am Ende begegnet Nana beim Ableben ihrem jungen Selbst, während der titelgebende Dackel noch einmal kurz auftaucht, um einen bösen Straßentod zu erleben.
»I always wanted a leash.«
Der Film teilt sich nicht nur in vier Episoden, sondern auch in zwei Kategorien. Während in den ersten beiden Episoden noch der Hund eine tragende Rolle spielt, ist dieser nach dem Intermezzo nur noch Beiwerk und geriet immer mehr in den Hintergrund. Trotzdem der Hund durch den Film führt, schreitet ebenso das Alter der Protagonisten immer weiter voran - vom Neunjährigen zu dem Dreißiger-Pärchen über den Fünfziger-Professor zur Achtzigjährigen. Ebenso wird der Film von Episode zu Episode immer ernster ...und vor allem auch langweiliger.
Todd Solondz zeigt uns einen Querschnitt durch die USA und deren Bevölkerung wie auch einen Spiegel vors Gesicht - ob es ums Thema Erziehung geht, Drogenprobleme, Terrorismus oder Alterszynismus. Die Schauspieler sind zwar mit Spaß und Leidenschaft dabei, doch die Geschichten selbst verlaufen im Sande und deren Zusammenhalt ist nicht auf Anhieb erkennbar. Es geht jedoch bei allen Figuren um die Suche nach ihrem Platz im Leben. Wie sagte doch einst Forrest Gump so schön? „Das Leben ist eine Pralinenschachtel. Man weiß nie, was man bekommt.“ Wiener-Dog ist wie eine Praline, die ein wenig merkwürdig schmeckt, die man aber nicht wieder auszuspucken braucht. Man muss nur aufpassen, dass sie beim Lachen nicht im Halse stecken bleibt... ■ mz