Die Brüder Joshua und Benny Safdie, die sich mit ihren vorangegangenen Titeln als Hoffnungsträger eines neuen realistischen Indepependentkinos einen Namen gemacht haben, schicken nun Robert Pattinson auf eine nächtliche Odyssee durch New York (die auch jede beliebig andere Großstadt hätte sein können). Dabei verschlägt es ihn auf der Flucht vor der Polizei u.a. in einen Burgerladen, ein Krankenhaus und einen Vergnügunspark...
Nik ist geistig behindert und in Behandlung, doch sein Bruder Constantine, der von allen einfach nur Connie genannt wird, will ihn nicht einfach so abstempeln und zerrt ihn aus der therapeutischen Sitzung, um mit ihm eine Bank zu überfallen: Sie tragen unglaublich realisitsche Farbige-Männer-Masken unter der Kapuze und kommunizieren via Zetteln mit der Bankangestellten - alles recht clever. Doch es kommt, wie es kommen muss: Nik wird auf der Flucht gestellt.
Während Connie seine Freundin Corey mobilisiert, um die restliche Kaution für seinen Bruder dem Kautionsbüro zu überweisen, wird Nik im Knast krankenhausreif geschlagen, was Connie die Möglichkeit bietet, seinen Bruder aus dem Krankenhaus zu befreien, was aber, wie man es sich ausmalen kann, ebenfalls in die Hose geht...
Die titelgebende Good Time ist hier das eigentliche Ziel Connies, doch wie auch immer man sein verkorkstes Leben verbessern will - man sollte es lieber auf dem legalen Weg versuchen! Die Safdie-Brüder, von denen Benny hier auch die Rolle des behinderten Bruders Nik übernommen hat, den er übrigens wirklich super spielt, vermischen in diesem Film die albtraumhaften Geschehnisse einer Nacht mit unglaublich abstrusen Figuren, die so schnell wieder verschwinden, wie sie in Erscheinung treten, und einer passend verstörend cool wirkenden Trance-Filmmusik, die an die Filme von Nicolas Winding Refn erinnert, während die nervöse, aber nicht so nervige Handkamera die Zuschauenden immer nah am Geschehen und den Figuren hält.
Die lange Nacht der Missgeschicke ist ein recht unbequemer Film, kalt und bunt zugleich, dramatisch und aberwitzig, der Robert Pattinson nicht nur dabei hilft, von seinem Twilight-Image endgültig wegzukommen, was ihm spätestens seit Die versunkene Stadt Z gelungen ist, nicht nur durch schauspielerisches Können, auch durch ein entgegenwirkendes äußerliches Charakterbild und weiter differenzierte Rollen, sondern auch Jennifer Jason Leigh dabei hilft, nach The Hateful 8 und Twin Peaks mit abgefahrenen Rollen weiterhin präsent zu bleiben, ebenso Barkhad Abdi, der den Oscar®-nominierten Terroristen in Captain Phillips gespielt hat und aktuell auch in Blade Runner 2049 als Doc Badger zu sehen ist, seinen Fuß in Hollywoods Tür festzunageln.
Und dann ist da noch eine Sache, die sich durch den ganzen Film zieht - Mütter. Die beiden Brüder leben bei ihrer Oma, Connies Freundin bei ihrer Mutter. Auch die junge Crystal, die Connie in seiner Nuit de Force kennenlernt, wohnt bei ihrer Mutter, die Connie missverständlich als Großmutter tituliert. Diese Mütter sind praktisch alleinerziehend und wollen für ihre Schützlinge nur Sicherheit und ein gutes Leben. Doch Connie, der im gesellschaftlichen Sumpf immer weiter nach unten driftet, greift nach allen Halmen, die ihn retten könnten, doch brechen sie alle entzwei. Oder er zieht die Personen mit sich. Erst am Ende der Nacht, und auch der Geschichte, erkennt Connie, dass es nur einen Ausweg aus der Misere gibt...
Eins muss ich aber noch loswerden, und zwar die Frage: Wo ist die ganze griechische Meschpoke, wenn man Rückhalt braucht?! Im Laufe des Films erkennen wir an den Namen, dass es sich bei unseren Hauptprotagonisten um Griechen handelt. In My big fat Greek Wedding haben wir doch aber gelernt, dass die griechischen Einwanderer alle irgendwie zusammenhalten und fast alles auf der Welt erfunden haben! Connie hätte hier zwar kein Windex geholfen, doch mehr familiärer Rückhalt hätte ihn womöglich nicht so tief sinken lassen. Aber immerhin wirkt Connie wie ein Stehaufmännchen, das unermüdlich für etwas kämpft, das keine mittelbare Zukunft hat. Die Filmemacher hingegen scheinen sich jedoch weiter nach oben zu arbeiten. Bravo! ■ mz