Multiplex
Gullivers Reisen - Da kommt was Großes auf uns zu
Kinostart: 10.2.2011 | Autor: mz

Als Jonathan Swift seinen Roman im 18. Jahrhundert schrieb, gab es noch zahlreiche weiße Flecken auf der Landkarte. So erschien damals die Idee, dass es irgendwo eine mit kleinwüchsigen Menschen bewohnte Insel gab, gar nicht so abwegig. Die Filmemacher überlegten kurz, Gullivers Abenteuer auf einem fernen Planeten anzusiedeln, ehe sie sich entschlossen, den Helden durch ein interdimensionales Portal nicht in eine ferne Galaxie zu schicken, sondern ihn in eine alternative Welt zu verpflanzen, in der moderne und altmodische Gepflogenheiten aufeinandertreffen.

Wenn der Zuschauer Lemuel Gulliver kennen lernt, ist er nur ein kleiner Kerl im großen Teich. Er lebt in den Straßenschluchten Manhattans, wo er als kleiner Angestellter in der Poststelle einer Zeitung schuftet. Er riskiert ständig eine große Klappe, hat aber bislang im Leben wenig erreicht, weil er immer Angst davor hat zu scheitern.

Besonders am Herzen liegt ihm die Reisereporterin Darcy, doch wegen seiner Zurückweisungsangst kommt er nie über freundliche Worte zu ihr hinaus. Als er einen Praktikanten an seine Seite bekommt, stachelt dieser ihn an, einen Schritt weiter zu gehen. So kommt es, dass er eines Tages die Gelegenheit bekommt, eine Reisereportage zu schreiben.

Da er jedoch nie über die Grenzen New Yorks hinweg gekommen war, muss er sich etwas einfallen lassen und klaut sich die Passagen zusammen. Darcy ist begeistert und schickt Lemuel auf Dienstreise, um einen Bericht zu schreiben, für den Darcy so gar keine Zeit hat. Und damit beginnt das eigentliche Abenteuer, denn er gerät im Bermuda-Dreieck mit dem Boot in einen Sturm und wacht an einem Strand auf...an den Boden gefesselt von hunderten fingergroßen Menschen.

Einer der ersten Personen, die er in dieser fremden Welt antrifft, ist Edward Edwardian, der Befehlshaber der Armee von Liliput. Edward misstraut der riesenhaften Kreatur, die plötzlich in Liliput auftaucht und sie weckt gleichzeitig die Ambitionen im General, der den Eindringling umgehend gefangen setzt. Sein Schachzug misslingt jedoch, Gulliver avanciert zum neuen starken Mann im Reich und nimmt Edwards Platz als Kommandant ein.

Während man Edward im Reich wegen seiner militärischen Großtaten kennt, gibt es im Land einen anderen, unbekannten Liliputaner namens Horatio, ein Niemand, der nach mehr strebt. Gulliver nimmt Horatio unter seine Fittiche und hilft ihm bei dessen Werben um die Hand von Prinzessin Mary, die mit Edward „verlobt“ ist.

Sie verbringt die meiste Zeit damit, darauf zu warten, dass die feindlichen Blefuscianer sie entführen wollen, respektive damit, in deren Gefangenschaft zu sein. Dieses wöchentlich wiederkehrende Ritual ist überhaupt nicht im Sinn der Prinzessin, genauso wenig wie das routinemäßige Werben des ihr zugedachten Edwards, das sie zu Tode langweilt. So bieten die romantischen Intentionen des faszinierenden Horatio zumindest eine gewisse Abwechslung im sonst so trostlosen Leben der Prinzessin.

Edward gefällt diese neue Konstellation überhaupt nicht uns setzt alles daran, Gulliver zu diskreditieren. Ein Artikel in einem Magazin, das der Militär in Gullivers Schiffswrack findet, gibt ihm die Idee für seine niederträchtige Maschine, die Gulliver ordentlich Angst einjagt. Edward, der im Kopf des von ihm entworfenen mechanischen Monsters sitzt, steuert dieses mit Hebeln und Flaschenzügen. Und so kommt es schließlich zum Kampf der Giganten...

BEWERTUNG

Der Gesamteindruck des Films ist durchaus positiv. Die Spezialeffekte sind einwandfrei, die Geschichte ganz gut in die heutige Zeit adaptiert und die Schauspieler sehr überzeugend. Doch das war es dann auch schon. Der Film ist nicht besonders witzig. Man schmunzelt oft und staunt über die Spezialeffekte, aber da ist auch nicht mehr.

Die interessantesten Passagen waren lediglich die, die am Anfang in New York spielen, während in Liliput lediglich ein Gag nach dem anderen abgearbeitet wurden. Wirklich originell war z.B. die Liveaufführung von Star Wars in Liliput, die auf Anweisung Gullivers wie bei einem Fernseher pausiert werden konnte.

Aber warum mussten die Liliputaner unbedingt im Barockzeitalter hängengeblieben sein? Wenn sie schon so fleißige Konstrukteure sind, müssten sie doch unserer heutigen Technologie weit überlegen sein. Gut, man könnte argumentieren, dass Gulliver in die Vergangenheit transportiert wurde und dort mehr Zeit verbracht hatte, als in der realen Zeit außerhalb der Liliputanerwelt vergangen war. Das kommt nämlich zur Sprache als plötzlich Darcy in Liliput strandet, die auf der Suche nach Gulliver und ihrem Reisebericht war.

Der Film zieht seine Originalität aus der Rahmenhandlung. Es geht hauptsächlich um Liebe und Mut, Arroganz und Ignoranz. Spannung kommt auch kaum auf, da man ja die Geschichte um Gulliver bereits kennt. Eigentlich ist es ja eine Geschichte für Kinder, doch es gibt so viele Gags, die nur die Erwachsenen verstehen, die aber für diese nur leidlich witzig oder ausgelutscht sind. Andersherum ist die Geschichte speziell für Kinder so einfach gestrickt, dass man sich als Erwachsener eher langweilt.

Vielleicht hätte man sich die nicht gerade auffälligen 3D-Effekte sparen und dafür ein wenig mehr Zeit für das Drehbuch nehmen sollen. Jack Black spielt im Kindermodus, Emily Blunt brauch praktisch fast nichts weiter machen als hübsch auszusehen und Amanda Peet brauchte sich für die paar Szenen auch nicht gerade echauffieren. Man ist zwar in der Geschichte dabei und fühlt sich gut unterhalten, hat jedoch wenig Spaß, Spiel und Spannung, dass man getrost auf die DVD bzw. Blu-Ray warten kann.

© 20th Century Fox

OT: Gulliver's Travels
USA 2010
Abenteuer/Komödie
FSK: Freigegeben ab 6 Jahren
87 min


mit
Jack Black (Lemuel Gulliver) Tobias Meister
Emily Blunt (Prinzessin Mary) Bianca Krahl
Billy Connolly (König Theodore) Reinhard Kuhnert
Jason Segel (Horatio) Dennis Schmidt-Foß
Chris O'Dowd (General Edward Edwards) Olaf Reichmann
Amanda Peet (Darcy Silverman) Katrin Fröhlich
Catherine Tate (Königin Isabelle) Sabine Arnhold
T.J. Miller (Dan) Tommy Morgenstern
James Corden (Jinks)
Emmanuel Quatra (König Leopold)
Olly Alexander (Prinz August)
Stewart Scudamore (Blefuscianer Kapitän)

musik
Henry Jackman

kamera
David Tattersall

drehbuch
Joe Stillman
Nicholas Stoller
nach dem Roman von Jonathan Swift

regie
Rob Letterman

produktion
20th Century Fox
Lakeshore International
Davis Entertainment
Electric Dynamite

verleih
20th Century Fox

MAKING OF

»Es war höchste Zeit, dass ich einmal jemand Netten und Unschuldigen spielen durfte«, sagt Emily Blunt, der bei der Swift-Verfilmung besonders die Neuerungen und Modernisierungen gefielen, die man vornahm, um den Stoff zeitgemäß zu gestalten. »Unser Gulliver ist ganz modern, er hat Ecken und Kanten, die Jack ganz hervorragend zu transportieren versteht. Sein Gulliver sorgt in unserer kleinen Welt für Ärger und Unruhe und letztendlich dafür, dass wir sie mit anderen Augen sehen.«

Die gesamte Besetzung (Roboter inklusive) schätzt nicht nur Jack Blacks Talent als Schauspieler, sondern auch sein Engagement und seine Arbeitsethik in Bezug auf seinen Posten als ausführender Produzent. Wenn Black vor der Kamera nicht gefragt war, tauchte er trotzdem am Set auf. Er sprach dann aus dem Off mit seinen Kollegen, gab ihnen Anhaltspunkte, wo er stünde – eine große Hilfe, wenn man in riesigen Hallen vor Green Screens quasi im Nichts agiert.

Eine große Hilfe für die Schauspieler stellte auch die bahnbrechende neue Kamera namens DualMoCo („MoCo” steht für motion control - zu dt. Bewegungskontrolle) dar, die bei dem Film erstmals ausgiebig zum Einsatz kam. Die DualMoCo bedient sich komplexer Computertechnologien und synchronisiert unter anderem die Bewegung von Kamerakränen.

So konnte auf zwei verschiedenen Arbeitsbühnen gleichzeitig dieselbe Szene gedreht werden. Auf der einen agierte der Riese Gulliver, auf der anderen die Liliputs. Der große Black spielte in einer Ecke, die kleinen Liliputs in der anderen. Und im Ergebnis sind alle Beteiligten mit den entsprechenden Größenunterschieden in ein und derselben Einstellung zeitgleich aufgenommen worden.

Das Gros der Actionsequenzen wurde in den riesigen Hallen der britischen Pinewood Studios gedreht, wo die Produktion auch ihr Hauptquartier aufschlug. Produktionsdesigner Gavin Bocquet (Star Wars I-III) errichtete einen Großteil der Liliput-Welt. Getreu den Vorgaben der Filmemacher, das Fantastische mit dem Realen zu vermengen, mied Bocquet weitgehend das Offensichtliche und Übliche. Er verzichtete auf übergroße Sets für die Liliputs und entsprechend winzige für Gulliver. Man entschied sich vielmehr dafür, alle Ausstattungsstücke im Maßstab 22:1 herzustellen.

»Ich war ständig mit diesen Größenunterschieden befasst. Wie würden die Einwohner von Liliput etwas für jemanden bauen, der um so viel größer ist als sie?«, erläutert Bocquet. »Nehmen wir das Strandhaus, die Junggesellenbude, die die Liliputs für Gulliver zimmern. Es sieht für die Liliputs ungefähr 40 Meter hoch aus. Wenn man die Augen zusammenkneift, sieht es relativ normal aus. Aber wenn man dann auf die Details achtet, ist alles ganz anders. Wie eine überdimensionale Kaffeemaschine. Die Fenster, die Türen, der Boden, alles wurde aus Teilen zusammengesetzt, die 7,5 Zentimeter großen Menschen als Baumaterial dienen, Hunderte von Stäbchen wurden da als Dielen verlegt!«

Der Film nutzt einige der prächtigsten englischen Gebäude, darunter den Palast von Blenheim und das in Greenwich gelegene Old Royal Naval College, ein barockes Architekturmeisterwerk aus dem 17. Jahrhundert als Sets. Hier findet die finale Tanznummer statt - eine Choreographie zu Edwin Starrs klassischem Hit „War”.

Der Song unterstreicht auf sehr moderne Art Jonathan Swifts Anti-Kriegs-Thematik. »Gleichzeitig«, so Jack Black, »versuchten wir, den Song so rockig wie möglich zu halten und ihn der Welt Liliputs anzupassen.« Black spielte seine Version von „War“ zusammen mit John Kimbrough auf Barockinstrumenten ein und nahm sie dann auf. Die Tanznummer wurde mit 40 Tänzern entwickelt und einstudiert, ehe sie mit 250 Statisten vor Ort in Greenwich umgesetzt und gefilmt wurde.

Nachdem die Dreharbeiten abgeschlossen waren, begann die aufwändige Postproduktion mit den vielen ehrgeizigen visuellen und stereographischen Effekten, die den Zusehern erst den 3D-Genuss ermöglichen. Rob Letterman bestand aber darauf, dass die Technik bei Gullivers Reisen erst an zweiter Stelle kommt, denn in erster Linie »geht es im Film um die Figuren, ihre Gefühle und ihr Verhältnis zueinander. Es ist gar nicht so einfach, von den Gefühlen zwischen 15 Zentimeter kleinen Menschen und einem Riesen zu erzählen. Die Effekte und die 3D-Technik sind nur die Glasur des Kuchens.«