Multiplex
The King's Speech
Kinostart: 17.2.2011 | Autor: mz

Als Experten für aufwändige historische Stoffe wiesen den britischen Regisseur Tom Hooper (The Damned United) bereits preisgekrönten Fernsehproduktionen wie Elizabeth I. oder John Adams aus. Doch mit seinem zweiten Kinofilm The King's Speech gelingt ihm nun ein Meisterwerk, wie man es im Kino nicht alle Tage zu sehen bekommt.

Die bei den Festivals von Telluride, Toronto und London gefeierte und auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei höchst unterschiedlichen Männern brilliert dabei mit eleganten Bildern ebenso wie mit geschliffenen Dialogen, vor allem jedoch mit jeder Menge Witz und Menschlichkeit.

Die Geschichte dieses Films beginnt bereits in den 1940er Jahren, während des Zweiten Weltkriegs. Als Kind litt Drehbuchautor David Seidler (Tucker: A Man and his Dream) an einem schweren Stottern. Doch als er die Reden des britischen Königs George VI. während und nach dem Krieg in der BBC hörte, war für ihn klar: Wenn der Monarch einen Weg finden konnte, mit seinem Stottern umzugehen, würde ihm das auch gelingen. So wurde George VI., der stotternde König, der zum öffentlichen Sprechen gezwungen war, ein Kindheitsheld und Vorbild für David – und nicht zuletzt die Inspiration für The King's Speech:

1925 bittet der britische König George V., Regent über ein Viertel der Weltbevölkerung, seinen zweiten Sohn Albert, den Duke of York, in Familienkreisen Bertie genannt, die Abschlussrede für die größte Ausstellung der Welt im Wembleystadion in London zu halten.

Dass sie im Desaster endet, ist allerdings keine große Überraschung, denn seit seiner Kindheit leidet er an einem schweren Stottern und bringt unter der Anspannung so gut wie keinen Ton heraus. Doch wenn er abends seinen beiden Töchtern Elizabeth und Margaret Gute-Nacht-Geschichten vorliest oder sich mit seiner Ehefrau Elizabeth ganz privat über die Beziehung seines großen Bruders David, des Prince of Wales, unterhält, fällt ihm das Sprechen zumindest wesentlich leichter.

Kein Arzt und kein Psychologe kann ihm helfen, weshalb sich Berties liebevoll sorgende Ehefrau Elizabeth an den exzentrischen Sprachtherapeuten Lionel Logue wendet. Mit seinem forschen Auftreten und den unkonventionellen Behandlungsmethoden stößt er seinen adligen Patienten zunächst vor den Kopf. Bald aber zeigen sich erste Erfolge.

Nach dem Tod seines Vaters und der Abdankung seines Bruders Edward VIII., wegen dessen Liebe zur geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson, wird Bertie unter dem Namen George VI. 1936 unerwartet zu Englands neuem König. Öffentliche Auftritte und Radioansprachen lassen sich fortan noch weniger umgehen als zuvor, und nicht zuletzt der drohende Krieg erhöht den Druck auf den schüchternen Regenten.

Die Zusammenarbeit und wachsende Freundschaft mit Logue hilft Bertie dabei erheblich. Doch kurz vor der offiziellen Krönung stellt eine unerwartete Enthüllung das gegenseitige Vertrauen und damit auch Berties Kampf gegen das Stottern auf die Probe...

Valentine Logue erzählte Seidler, dass er im Besitz einiger Papiere seines Vaters sei, doch er bat ihn, zunächst bei der Queen Mum nachzufragen. Die Witwe von George VI. antwortete ihm mit einem Brief, in dem sie darum bat, den Film nicht zu ihren Lebzeiten zu schreiben, weil die „Erinnerungen an die Ereignisse noch zu schmerzhaft“ seien. Aus Respekt zu ihr wartete Seidler tatsächlich.

2005 schließlich machte sich Seidler an sein Werk, zunächst in Form eines Theaterstücks. Doch weil etliche Jahre ins Land gegangen waren, gelang es ihm allerdings nicht mehr, Kontakt zu Mitgliedern von Logues Familie herzustellen, so dass dessen Papiere ungelesen blieben.

Geoffrey Rush fand das Stück eines Tages in seinem Briefkasten in Melbourne, und war begeistert, wusste jedoch sofort, dass er diese Geschichte lieber als Film denn als Theaterstück sehen würde. Nachdem dann die Produktion auf die Beine kam, fand man schließlich bei weiteren Recherchen doch noch Verwandtschaft von Lionel Logue.

Regisseur Tom Hooper mit Geoffrey Rush und Colin Firth am Set
© Senator
Colin Firth als Bertie vor seiner ersten Rede als König
© Senator

OT: The King's Speech
GB/AUS 2010
Drama
FSK: Freigegeben ab 6 Jahren
118 min


mit
Colin Firth (George VI./Bertie) Tom Vogt
Geoffrey Rush (Lionel Logue) Wolfgang Condrus
Helena Bonham Carter (Elizabeth Bowes-Lyon) Melanie Pukaß
Guy Pearce (Edward VIII.) Viktor Neumann
Eve Best (Wallis Simpson) Ulrike Stürzbecher
Timothy Spall (Winston Churchill) Uli Krohm
Michael Gambon (George V.) Otto Mellies
Claire Bloom (Queen Mary) Angela Stresemann
Jennifer Ehle (Myrtle Logue) Andrea Aust
Derek Jacobi (Dr. Cosmo Lang) Bodo Wolf

musik
Alexandre Desplat

kamera
Danny Cohen

drehbuch
David Seidler

regie
Tom Hooper

produktion
Bedlam Productions

verleih
Senator

Sein Enkel Mark lebte in London und besaß tatsächlich noch die Unterlagen seines Großvaters, die nie veröffentlicht und auch nicht von Historikern unter die Lupe genommen worden waren. Das Filmteam aber durfte alles lesen und entdeckte darin ein detailliertes Tagebuch über Logues Arbeit mit dem König, Fragmente einer Biografie und sogar ein Krankenbericht des Monarchen. Umgehend wurde natürlich das Drehbuch umgeschrieben, um all die neu gewonnenen Erkenntnisse und Einblicke aus den Tagebüchern einzuarbeiten.

Mit Hilfe dieser Fundgrube an neuen Informationen machten sich Tom Hooper und Colin Firth umgehend daran, das Stottern des Königs zu erforschen, wofür sie alles verfügbare Archivmaterial über den König sichteten und sich mit zahlreichen Sprachtherapeuten trafen.

Geoffrey Rush empfand die Beziehung zwischen dem König und Logue als inspirierend: »In den Filmaufnahmen von damals kann man deutlich sehen, wie sehr Prinz Albert sein öffentliches Leben zu schaffen machte, weil er keine wirkliche Kontrolle über seine Stimme hatte. Aber sobald er lächelt, spürt man sofort seine Wärme. In gewisser Hinsicht gewinnt unsere Geschichte über ihn geradezu Shakespearesche Züge, denn einerseits wird ein Blick auf die große weite Welt geworfen, andererseits geht es aber auch ganz konkret um das Innenleben eines einzelnen Mannes.«

»In Hollywood ist es durchaus üblich, es mit historischen Tatsachen nicht so genau zu nehmen«, berichtet Regisseur Tom Hooper. »Aber die Geschichte unseres Films ist vergleichsweise frisch. Es geht um den Vater der heutigen Königin, und genau wie sie leben auch viele andere seiner Zeitgenossen heute noch. Deswegen war es für mich keine Frage, dass wir so akkurat wie möglich sein mussten.«

»Die Detailgenauigkeit, mit der er seine Arbeit erledigt, ist erstaunlich«, schwärmt Hooper von seinem Hauptdarsteller. »Berties Körpersprache, seine Art des Sprechens, sein Stottern – alles hatte er ganz genau studiert. Er hat sich der Herausforderung gestellt und sie mit Bravour gemeistert. Der Film steht und fällt damit, dass man wirklich mitfühlt mit dem Protagonisten und seinem Schicksal, und dank Colin tut man das.«

Und genau so ist es auch. Man ist von Anfang bis zum Ende des Films gebannt, fühlt mit Bertie, aber auch mit seiner Frau und Logue, ist beeindruckt von der Detailgenauigkeit. Gleichzeitig bestand der Regisseur zu jeder Zeit darauf, dass der Film auf keinen Fall trocken geraten dürfe, sondern durchzog ihn im Gegenteil mit jeder Menge Humor:

»In der Tat ist der Film sehr witzig. Das Thema mag ernst sein, aber trotzdem erzählt es sich am besten humorvoll. Dass der Film derart amüsant ist, schließt allerdings nicht aus, dass er auch kraftvoll und bewegend ist. Im Gegenteil: Man rührt den Zuschauer am leichtesten, wenn wann ihn zunächst zum Lachen bringt. Dann entspannt er sich und öffnet so sein Herz für die Geschichte.«

The King's Speech ist großes britisches Geschichtskino mit herausragenden Schauspielern und einem ebensolchen Team hinter den Kamera. Der Film wurde an Originalschauplätzen in London gedreht, um die Authentizität zu unterstreichen. Mit 12 Nominierungen geht der Film ins Rennen un die begehrteste Auszeichnung der Filmbranche, den Oscar®. Ich würde mich nicht wundern, wenn Hooper und sein Team einen Großteil dieser Goldmänner mit nach hause nehmen. ■