Multiplex
Der Adler der neunten Legion
Kinostart: 3.3.2011 | Autor: mz

Duncan Kenworthy, einer der wichtigsten britischen Filmproduzenten, bekam die Möglichkeit, das Lieblingsbuch seiner Kindheit zu verfilmen - Rosemary Sutcliffs gleichnamigem Erfolgsroman. Als Regisseur holte er sich den „letzten König von Schottland“, Kevin Macdonald, und für das Herr-Sklave-Duo die Jungstars Channing Tatum und Jamie Bell.

Sutcliff hatte als Grundlage für ihren 1954 erschienenen Roman ein reizvolles historisches Mysterium benutzt, mit dem sich Geschichtswissenschaftler damals auseinandersetzten: das Verschwinden der Neunten Legion des Römischen Reichs.

Mehrere Jahre war die Neunte Legion in Eburacum, das heute als nordenglische Stadt York bekannt ist, stationiert. Dann verschwand sie im Jahre 120 nach Christus aus allen Aufzeichnungen, was zu der Vermutung führte, dass die Legion nordwärts nach Schottland einmarschiert und von dort nicht mehr zurückgekehrt war.

Das Lager der Historiker ist heute gespalten, ob die Neunte Legion tatsächlich im Norden verschwand oder zu einem anderen Einsatzort verlagert wurde. Die ursprüngliche Geschichte ihres Verschwindens aber ist historisch unumstritten.

Im Jahr 140 nach Christus erstreckt sich das Römische Reich bis nach Britannien, doch hoch im Norden der Insel herrschen die rebellischen Stämme Kaledoniens. Flavius Aquila kommandierte die 5000 Mann starke Neunte Legion, bevor sie vom Erdboden verschwand. In Britannien eingetroffen, will Flavius’ Sohn Marcus den angeschlagenen Ruf seines Vaters wiederherstellen und das Mysterium aufklären.

Als ein Gerücht die Runde macht, dass der Goldene Adler, das Feldzeichen der Legion, jenseits des Hadrianswalls gesichtet wurde, bricht Marcus sofort auf. An seiner Seite ist Esca, ein junger britischer Sklave, der Marcus Treue schwor, nachdem dieser ihm das Leben rettete.

Je weiter die beiden Männer, die eigentlich nur Misstrauen und ein Eid verbindet, in das Territorium vordringen, das für Rom das Ende der bekannten Welt markiert, desto größer wird die Gefahr – und auch das Geheimnis um Esca, der mehr als nur seinen Hass auf Rom verbirgt.

Das könnte eine spannende Geschichte sein. Auf jeden Fall sind alle von Sutcliffs Roman begeistert. Doch wie so oft mussten Figuren und Handlungsstränge für das Drehbuch gekürzt werden, damit die Handlung für knapp zwei Stunden übersichtlich bleibt.

Zusätzlich fehlt dem Film die nötige Spannung, vermutlich weil die Charakterzeichnungen der Figuren nur oberflächlich bleiben. Es besteht kein Zweifel an der guten schauspielerischen Qualität der Hauptdarsteller, doch die filmische Umsetzung der Geschichte wirkt eher wie ein geschichtliches Lehrstück mit ein paar brutalen Kampfszenen.

Zum Mangel an Action, die ein martialischer Kostümfilm impliziert, kommt auch noch die langsame Musik mit nativer Folklore, die den Zuschauer zusätzlich einlullt. Wenn man dann noch die Klimaanlage im Kino aufdreht, kann man sich zumindest wie die Hauptfiguren im Film fühlen - erschöpft, müde, frierend...nein, wir müssen das durchstehen!

Historisch gesehen kann man dem Film zumindest nichts anhaben. »Wenn man die Vergangenheit dramatisiert, ist man immer versucht, sie zu verbessern. Bei Michael O’ Connors Kostümen und Michael Carlins Sets aber stimmte alles. Sie wirkten eindrucksvoll, ja sogar schön, und doch schmutzig-realistisch ohne jegliche Übertreibungen«, bemerkt Kenworthy.

»Wir mussten aus dem Nichts eine ganze Welt wieder zum Leben erwecken«, berichtet Setdesigner Carlin. »Jedes Gebäude im Film wie auch ein Großteil der Requisiten und des Setdekors haben wir selbst gebaut und hergestellt. Natürlich gab es Bücher und Artefakte, auf die wir uns beziehen konnten.

Man weiß heute sehr viel darüber, wie die größeren und bedeutenderen römischen Bauten ausgesehen haben. Aber für diesen Film mussten alle Bauten sehr provinziell wirken, deshalb mussten wir von den Fundamenten aufwärts unsere Vorstellungskraft einsetzen.

So weit wie möglich blieben wir historisch exakt, doch gleichzeitig machten wir das Ganze etwas massentauglicher, um unsere Geschichte einem größeren Publikum erzählen zu können. Besonders die Festung sieht sehr nach ‚Reichsgrenze’ aus.«

In Ungarn und Schottland gedreht, bringt der Film uns eine Welt nahe, die so noch nie im Kino zu sehen war, eine Welt, die einst real war. Als gespielte Doku ist der Film jedenfalls recht anschaulich, als dramatischer Actionkracher allerdings kann er nicht überzeugen. ■

© Concorde

OT: The Eagle
USA 2011
Abenteuer/Drama/Geschichtsfilm
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
114 min


mit
Channing Tatum (Marcus Aquila) Torben Liebrecht
Jamie Bell (Esca) Nicolas Artajo
Donald Sutherland (Marcus' Onkel) Jochen Striebeck
Mark Strong (Guern) Jacques Breuer
Denis O'Hare (Lutorius)
Julian Lewis Jones (Cassius)
Douglas Henshall (Cradoc)
Dakin Matthews (Claudius)

musik
Atli Örvarsson

kamera
Anthony Dod Mantle

drehbuch
Jeremy Brock
nach dem Roman „The Eagle of the Ninth“ von Rosemary Sutcliff

regie
Kevin Macdonald

produktion
Toledo Productions
Film4
Focus Features

verleih
Concorde