Multiplex
Betty Anne Waters
Kinostart: 17.3.2011 | Autor: mz

Betty Annes Geschichte ist so unglaublich, dass sie eigentlich nur wahr sein kann. Und tatsächlich basiert Betty Anne Waters, die vierte Regiearbeit des auch als Schauspieler bekannten Tony Goldwyn (Seine Großväter waren der legendäre Kinomogul Samuel Goldwyn und der Autor Sidney Howard, seine Großmutter war die Schauspielerin Frances Howard und sein Vater der Produzent Samuel Goldwyn jr.), auf einer wahren Begebenheit.

Betty Anne Waters kämpft gegen die übermächtigen Flügel des Systems, das für Menschen vom Schlage ihres Bruders Kenny kein Erbarmen kennt. Betty Anne ist eine Heldin des Alltags, eine Kämpferin...

Für Betty Anne Waters ist ihr großer Bruder Kenny der wichtigste Mensch im Leben. Schon als Kind stand er ihr immer zur Seite. Doch nun braucht Kenny dringend Betty Annes Hilfe. Denn sie ist die einzige, die noch an seine Unschuld glaubt, als er wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wird.

Betty Anne gibt Kenny ein beinahe unglaubliches Versprechen: Wenn er durchhält hinter Gittern, wird sie Jura studieren, Anwältin werden und das Verfahren eigenhändig aufrollen. Egal wie lange es dauert.

Mit Hilfe ihrer neuen besten Freundin, der Kommilitonin Abra, besteht Betty Anne Jahre später die Anwaltsprüfung, aber nun fangen die Probleme erst an: Der Fall ist inzwischen verjährt, vom Beweismaterial fehlt jede Spur und die Zeugen von damals sind alles andere als kooperativ.

Mehr als einmal scheint die Lage hoffnungslos, doch aufgeben ist für Betty Anne keine Option. Entschlossen und unnachgiebig ermittelt sie immer weiter – und entdeckt schließlich eine heiße Spur...


Goldwyn und seine Autorin Pamela Gray haben den Waters-Fall genau recherchiert und konnten dabei auf die Kooperation der echten Betty Anne Waters zählen, die geschlagene achtzehn Jahre ihres Lebens in den Kampf um die Befreiung ihres Bruders investierte.

Alle Eckdaten des Films sind authentisch: Der Fund der verstümmelten Leiche am Rand von Ayer, Massachusetts, im Jahr 1980, Kennys Verurteilung zwei Jahre später, Bettys aufopferungsvolles „Doppelleben“ als Ehefrau, zweifache Mutter, Kellnerin und Studentin, Studentin sowie ihr hartnäckiger Einsatz als Anwältin für Kennys Rechte während der neunziger Jahre.

Goldwyn erzählt die Geschichte auf drei Ebenen: die 60er Jahre, während Kenny und Betty Anne eine zerrüttete Kindheit durchleiden, die gleichwohl von inniger Geschwisterliebe geprägt ist - die frühen 80er, in denen die inzwischen erwachsenen Geschwister ein ganz normales Kleinstadtleben führen und der ebenso charmante wie aufbrausende Kenny zunächst unter Mordverdacht gerät und dann verurteilt wird - und schließlich die 90er, in denen Betty Anne zur detektivischen Ermittlerin reift und mit Akribie und Durchsetzungsvermögen ihrem Ziel näher kommt – wobei sie in Kauf nimmt, dass ihre Ehe scheitert, ihre Söhne sie verlassen und sie sich ein ums andere Mal fragen lassen muss, wieso sie ihr ganzes Leben für eine womöglich hoffnungslose Aufgabe opfert.

Hinzu kommt der traurige Fakt, der im Film weggelassen wurde, dass Kenny nach nur sechs Monaten in Freiheit, am 19. September 2001 mit nur 47 Jahren an den Folgen eines Sturzes starb.

»Egal, ob Kenny noch sechzig Jahre, sechs Monate oder auch nur sechs Tage gelebt hätte, er war schließlich wieder ein freier Mann und starb als freier Mann. Endlich konnte er eine Beziehung zu seiner Tochter aufbauen, die ihn nie kennengelernt hatte«, sagt Betty Anne. »Als er starb, war seine Ehre wiederhergestellt, und die Wahrheit war ans Licht gekommen.«

Regisseur Tony Goldwyn, der demnächst im Remake von The Mechanic an der Seite von Jason Statham zu sehen ist, setzt in dem Film weniger auf die kriminalistische Täterfindung im Stile eines Thrillers, sondern eher auf die emotionalen und persönlichen Belange der Hauptfiguren, wodurch der Film erneut zu einem inneren Kampfepos für Hilary Swank wird.

Aber auch die anderen Darsteller spielen ihre Rollen perfekt - Sam Rockwell als großer, emotionell extrovertierter Bruder, Minnie Driver als Posh-Freundin und treue Gehilfin, Melissa Leo als taffer Quotencop (also ich bin fast der Meinung, dass sie der Täter war...), Clea DuVall als griesgrämige Lebensgefährtin und Jungmutter, als auch Juliette Lewis als herrlich bösartige, alkoholabhängige Wohnwagenschlampe, die letztendlich Gewissensbisse bekommt und dadurch zur Wahrheitsfindung essenziell beiträgt.

Nichtsdestotrotz fehlt dem Film ein Quentchen Spannung, was den Gesamteindruck des Films schmälert. Zu lachen gibt's in dem Film sowieso nichts. Was bleibt sind die hervorragenden Darstellerleistungen und die interessant inszenierte Erzählweise. Da ist es auch kein Wunder, warum der Film 2 Jahre brauchte, um in die deutschen Kinos zu kommen. Im Zuge von Remakewahn, Fantasygedöns und Actionmüll ist der Film sicherlich eine ansprechende Abwechslung, kann jedoch mit solchen Filmen audiovisuell nicht mithalten. ■

Sam Rockwell, Hilary Swank
© Ron Batzdorff/Innocence Productions, Inc.

OT: Conviction
USA 2009
Drama
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
110 min


mit
Hilary Swank (Betty Anne Waters) Sandra Schwittau
Sam Rockwell (Kenny Waters) Dietmar Wunder
Minnie Driver (Abra Rice) Katrin Fröhlich
Peter Gallagher (Barry Scheck) Frank Röth
Clea DuVall (Brenda Marsh) Peggy Sander
Ari Graynor (Mandy Marsh) Anne Helm
Melissa Leo (Nancy Taylor) Kerstin Sanders-Dornseif
Juliette Lewis (Roseanna Perry) Bettina Weiß
John Pyper-Ferguson (Aidan)
Karen Young (Elizabeth Waters) Heidrun Bartholomäus
Bailee Madison (junge Betty Anne) Celina Gaschina
Tobias Campbell (junger Kenny) Jonas Frenz

musik
Paul Cantelon

kamera
Adriano Goldman

drehbuch
Pamela Gray

regie
Tony Goldwyn

produktion
Pantheon Entertainment Corporation
Oceana Media Finance
Innocence Productions
Longfellow Pictures
Prescience Films

verleih
Tobis

Hilary Swank, Tony Goldwyn
© Ron Batzdorff/Innocence Productions, Inc.
Hilary Swank
© Ron Batzdorff/Innocence Productions, Inc.