Multiplex
Four Lions
Kinostart: 21.4.2011 | Autor: mz

Eine Komödie über Terrorismus und Suizidbomber? Endlich! In einer pechschwarzen Satire über den Heiligen Krieg und die Schwierigkeit, Krähen als Soldaten auszubilden, packt das britische Comedygenie Chris Morris ein heißes Eisen an und entdeckt in der größten Bedrohung der Gegenwart einen ebenso bestürzenden wie aberwitzigen Humor.

Four Lions fasziniert als unerschrockener und gnadenlos konsequenter Spaß, der im wahrsten Sinne des Wortes explosiv ist. Ähnlich wie beim berühmten „tödlichen Witz“ von Monty Python könnte auch dieser Film dazu führen, dass der eine oder andere Zuschauer den Film nicht überlebt! Achten Sie also besonders auf herrenloses Popcorn und verdächtig aussehende Platzanweiser!

Vier junge britische Männer sind im Auftrag Allahs unterwegs. Meinen sie. Omar will sich dem Heiligen Krieg anschließen, weil er nicht länger tatenlos zuschauen will, wie das Ansehen junger Moslems auf der Welt mit Füßen getreten wird.

Waj hält das für eine gute Idee und schließt sich an, weil er nichts Besseres zu tun hat – außerdem trifft Omar ohnehin immer alle Entscheidungen für ihn. Barry ist als weißer islamischer Konvertit zwar völlig anderer Meinung, aber das macht nichts, denn das ist er grundsätzlich. Aus Prinzip.

Als Bombenbauer stößt Faisal zu der Truppe, der allerdings nicht als Selbstmordattentäter in Frage kommt, weil sein Vater gerade krank geworden ist. Gemeinsam sind sie fest entschlossen, die westliche Gesellschaft dort zu treffen, wo es weh tut. Fragt sich nur, ob sie ein Streichholz anzünden können, ohne sich dabei im Gesicht zu verletzen...

Dazu ein Statement des Regisseurs: »Eine Bombe explodiert. Wir rennen herum wie kopflose Hühner. Dann versuchen wir uns zu beruhigen. Wir schließen die Tür und somit unsere Angst aus. Wir gehen einkaufen. Also arbeitet unsere Angst jetzt im Dunkeln weiter. Sie befällt unser Gewebe. Wir ändern unsere Gesetze. Wir schränken unsere Freiheit ein. Wir keilen gegen Ausländer. Klasse. Natürlich sehnen wir uns danach, über unsere Ängste zu lachen, nur wissen wir nicht wie.

Wo ist der Humor bei Terrorismus? Tatsächlich starrt er uns, wie Four Lions zeigen wird, ins Gesicht. In den Ausbildungslagern streiten die jungen Jihadis über Honig, sie schießen einander in den Fuß, jagen Schlangen und werden rausgeschmissen, weil sie rauchen. Als der 9/11-Attentäter Mohammed Atta ausgelacht wurde, weil er zu laut pisste, gab er den Juden die Schuld, sie hätten zu dünne Toilettentüren gebaut.

Das Märtyrervideo eines künftigen Selbstmordbombers läuft gerade eine Minute, da hält der junge Mann inne und fragt den Kameramann: „Was war die Frage noch einmal?“ Der Terroristendrahtzieher Khalid Sheikh Mohamed sucht zwei Stunden nach einer Garderobe, in der er vor der Kamera nicht fett aussieht.

Ich habe drei Jahre lang mit Recherche verbracht. Ich sprach mit Terrorismusexperten, Imamen, der Polizei, Geheimdienstlern und hunderten von Muslimen. Selbst die, die im Jihad unterrichtet wurden und gekämpft haben, berichten von einem hohen Quotienten an Farce. Am Abend des Jahrtausendwechsels planten fünf Jihadis, ein amerikanisches Kriegsschiff mit einer Barkasse voller Sprengstoff zu rammen. Mitten in der Nacht ließen sie ihr Boot zu Wasser. Sie luden es mit Sprengstoff voll. Sie gingen an Bord. Es sank.

Terrorzellen haben dieselbe Gruppendynamik wie ein Herrenabend oder eine fünfköpfige Fußballmannschaft. Es gibt Konflikte, Freundschaft, Missverständnisse und Rivalitäten. Bei Terrorismus geht es um Ideologie. Aber es geht auch um richtige Arschgeigen.«

Und genau das zeigt der Film auch. Er will weder verharmlosen noch heraufspielen. Er zeigt, dass Terroristen auch nur Menschen sind wie du und ich, nur dass sie eine völlig andere Agenda haben als der Durchschnittsbürger. Statt Grillen im Garten am Wochenende dreht man halt ein Bekennervideo, statt Abfeiern auf dem Boot verabredet man sich zu Strategiediskussionen, und statt dem Vogel das Sprechen beizubringen wird dieser zum Bombenträger dressiert.

Es geht nicht darum, ob man lachen soll oder nicht, ob es angebracht ist oder nicht. An irgendeiner Stelle im Film ertappt man sich sowieso dabei. Four Lions ist eine Satire erster Klasse, die zwar nicht die Gefährlichkeit der Terroristen in Frage stellt, sie aber dennoch menschlich wirken lässt. ■


OT: Four Lions
GB 2010
Satire
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
100 min


mit
Kayvan Novak (Waj) Serdar Somuncu
Arsher Ali (Hassan) Murat Topal
Riz Ahmed (Omar)
Nigel Lindsay (Barry)
Adeel Akhtar (Faisal)
Preeya Kalidas (Sofia)
Mohammad Aqil (Mahmood)
Craig Parkinson (Matt)
Julia Davis (Alice)
Wasim Zakir (Ahmed)
Benedict Cumberbatch (Vermittler)

kamera
Lol Crawley

drehbuch
Christopher Morris
Jesse Armstrong
Sam Bain
Simon Blackwell

regie
Christopher Morris

produktion
Film4
Wild Bunch
Optimum Releasing
Warp Films

verleih
Capelight