Multiplex
Source Code
Kinostart: 2.6.2011 | Autor: mz | Bilder © Kinowelt

Mit seinem glänzenden Debüt Moon erregte Regisseur Duncan Jones weltweit Aufsehen. Jetzt legt er spektakulär nach: Sein Actionthriller Source Code ist ausgeklügelt, hochspannend und lockt den Zuschauer bis zum Schluss immer wieder aufs Glatteis. Der Film punktet neben dem cleveren Drehbuch auch mit einem herausragenden Ensemble.

Zeitreisegeschichten haben es ja so an sich, wenn sie lieblos ausgearbeitet sind, bleiben so manche Details offen oder passen nicht. Ben Ripleys Drehbuch lässt da jedoch keine Löcher offen, so dass sich jeder Fan von solchen Stoffen befriedigt den Film ansehen kann. Warum der Film in der deutschen Fassung nicht „Quellcode“ heißt, bleibt allerdings unklar.

Als er schlagartig in einem voll besetzten Pendlerzug Richtung Chicago erwacht, ahnt Helikopterpilot Colter Stevens nicht, dass seine Lebensuhr fast abgelaufen ist. Umgeben von anonymen Passagieren versucht er sich desorientiert zu erklären, wie er von einem Einsatz in Afghanistan hierher gelangen konnte, ohne sich zu erinnern.

Eine Mitreisende, die liebenswerte Christina, scheint ihn zu kennen. Was Colters Lage nicht weniger seltsam macht, denn als er einen Spiegel findet, blickt er in das Gesicht eines völlig Fremden. Was zur Hölle ist hier los? Doch zu spät. Exakt acht Minuten, nachdem Colter erwacht ist, explodiert der Zug in einem Inferno auf offener Strecke und reißt Hunderte in den Tod.

Erst als er in einer sperrigen Kapsel erneut zu Bewusstsein kommt, isoliert und mit der Außenwelt nur durch die Kommunikation per Computer verbunden, beginnt er zu begreifen. Colter wurde ausgewählt, um im Rahmen des geheimen Regierungsprogramms „Source Code“ eine neue Phase der Terrorbekämpfung zu testen.

Goodwin, eine Expertin des Militärs, füttert ihn nur spärlich mit Informationen, während der Wissenschaftler Dr. Rutledge als „Source Code“-Erfinder eisern schweigt. Colters Auftrag aber ist unmissverständlich: Für jeweils acht Minuten wird er wiederholt in Raum und Zeit zurück in den Zug transportiert werden, um die Bombenleger ausfindig zu machen, ob er will oder nicht.

Die Explosion des Zuges, wird ihm erklärt, liege unabänderlich in der Vergangenheit, und somit sei das Leben der Passagiere nicht mehr zu retten. Da ein weiteres Attentat mitten in Chicago angekündigt wurde, könnte jedoch weiteres Unglück verhindert werden.

Wieder und wieder geht Colter nach der Aktivierung von „Source Code“ auf selbstmörderische Mission und versucht, keine Sekunde zu vergeuden. Fieberhaft jagt er Verdächtige, geht wechselweise schlagkräftig und raffiniert vor, findet bald die versteckte Bombe und schmeißt schon mal Verdächtige aus dem Zug. Alles vergebens.

Während er Christina immer besser kennen lernt und ihr Vertrauen als Verbündete gewinnt, wartet am Ende von acht dramatischen Minuten jedes Mal ein Inferno. Doch die Hatz zwischen zwei Realitätsebenen geht auch an Colters körperliche Substanz. Und die Geheimniskrämerei der Vorgesetzten macht die Lage nicht leichter.

Wie um alles in der Welt konnte er aus einem Kriegseinsatz ins „Source Code“-Programm kommen? Wie oft muss er noch auf den Trip in die Vergangenheit, bevor er endlich seine Zukunft planen und den entfremdeten Vater wieder treffen darf? Und vor allem eine Frage plagt ihn: Gibt es nicht doch eine Möglichkeit, wenigstens Christinas Leben zu retten?

Wer die Serie ►Zurück in die Vergangenheit (Quantum Leap) kennt, der weiß sofort, was in dem Film Phase ist. Damals erfand der brillante Wissenschaftler Sam Beckett eine ähnliche Maschine, mit der er seine Gehirnströme mit denen anderer Personen tauschen kann, um innerhalb seiner eigenen Lebenszeit in die Vergangenheit reisen zu können.

Im Spiegel wurde er mit Gesichtern konfrontiert, die nicht seine eigenen waren, genauso wie Colter in Source Code. Als Verbeugung vor jener Serie bekam Hauptdarsteller Scott Bakula eine kleine Rolle. Er spielt Colters Vater, der kurz vor Schluss des Films am Telefon zu hören ist. Allerdings kommt dies in der deutschen Fassung nicht zur Geltung, da Bakula von einem anderen Sprecher synchronisiert wurde als damals in der Serie.

Im Gegensatz zur Serie besitzt das Programm „Source Code“ jedoch volle Kontrolle über die Technik, die Colter in die Vergangenheit springen lässt. Um die Geschichte spannender zu machen, funktioniert der Sprung lediglich in die letzten 8 Minuten im Leben eines Menschen - in diesem Fall die letzten 8 Minuten des Geschichtslehrers Sean Fentress, der bei der Explosion der Bombe im Zug ums Leben kam.

Die Zeitreisetechnik funktioniert zwar, doch die Theorie, die die Wissenschaftler von „Source Code“ entwickelt haben, nach der Colter immer wieder in eine parallele Welt springt, scheint falsch zu sein, wie Colter im Laufe seiner wiederholten Zeitsprünge feststellt.


OT: Source Code
USA 2011
Thriller/Science Fiction
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
93 min


mit
Jake Gyllenhaal (Colter Stevens) Marius Clarén
Michelle Monaghan (Christina Warren) Gundi Eberhard
Vera Farmiga (Colleen Goodwin) Christin Marquitan
Jeffrey Wright (Dr. Rutledge) Olaf Reichmann
Michael Arden (Derek Frost) Nico Mamone
Cas Anvar (Hazmi) Thomas Nero Wolff
Russell Peters (Max Denoff) Lutz Schnell
Brent Skagford (George Troxel) Peter Flechtner
Craig Thomas (Manager mit Golduhr) Oliver Siebeck
Gordon Masten (Schaffner) Frank Ciazynski
Paula Jean Hixson (Frau mit Kaffeebecher) Elisabeth Günther
Kyle Gatehouse (Student) Julius Jellinek
Scott Bakula (Colters Vater) Helmut Gauß

musik
Chris Bacon

kamera
Don Burgess

drehbuch
Ben Ripley

regie
Duncan Jones

produktion
Vendôme Pictures
The Mark Gordon Company

verleih
Kinowelt

Nach zähen, missglückten Wiederholungen, die zum Glück für den Zuschauer immer mehr zeitlich gerafft werden, kann Colter jedoch schließlich zum Held des Films werden. Doch einen Haken hat die Geschichte: Einer muss sterben - Colter Stevens oder Sean Fentress. Mit der Hilfe von Goodwin, die ihm immer mehr Glauben an dessen Theorie schenkt, in die wirkliche lineare Vergangenheit zu reisen, schafft er es schließlich, nicht nur der Held der Geschichte zu werden, sondern auch noch das Mädchen zu kriegen!

Mag es sein aus völligem Eigennutz, weil er sich in Christina verliebt hat, oder aus einer Mischung aus Überlebenskampf und einer Wiedergutmachung des Missbrauchs an ihm, verurteilt er dadurch Sean Fentress zum Tode, denn die lebenserhaltenden Maßnahmen an Colters Körper sollen nach der geglückten Mission eingestellt werden.

Mit diesem kontroversen Ende schaffen Duncan Jones und vor allem Autor Ben Ripley einen Helden, dem man eigentlich kein Happy End gönnen sollte. Colter Stevens ist schließlich Soldat und hat die Aufgabe, das Leben der Bürger mit seinem eigenen zu beschützen. Vielleicht fällt das manchen Zuschauern schwerer, diesen Widerspruch zu akzeptieren, weil Publikumsliebling Jake Gyllenhaal die Figur spielt.

Leute, die die Serie Zurück in die Vergangenheit nicht kennen, sei als Filmrichtung gesagt, dass es sich hierbei um eine Mischung aus Und täglich grüßt das Murmeltier (Groundhog Day) und 8 Blickwinkel (Vantage Point) handelt. Mit einer Menge mehr Pepp als sein Erstlingswerk Moon gibt der Sohn von Popstar David Bowie seinen Einstand ins klassische Popcorn-Hollywood mit einer recht bitteren Pille. ■

Regisseur Duncan Jones am Set mit
Jake Gyllenhaal und Michelle Monaghan
© Kinowelt