Multiplex
127 Hours
Kinostart: 17.2.2011 | Autor: mz

127 Hours (warum man den Filmtitel nicht in 127 Stunden eingedeutscht hat, bleibt ein Mysterium) ist der neue Film des Regisseurs Danny Boyle, der für seinen Überraschungserfolg ►Slumdog Millionär mit dem Oscar® ausgezeichnet wurde. Der Film erzählt diese nervenstrapazierende Geschichte des Bergsteigers Aron Ralston mit einer Dynamik, die die Zuschauer auf ein nie zuvor erlebtes Abenteuer mitnimmt und zeigt, zu was der Mensch fähig ist, wenn er um das pure Überleben kämpfen muss.

An einem Freitagabend im April 2003 fuhr der 26jährige Aron Ralston nach Utah, um über das Wochenende im atemberaubend schönen und abgelegenen Canyonlands National Park zu wandern. Sechs Tage später tauchte er wieder auf und berichtete die erstaunlichste Geschichte, die man jemals über das Überleben in freier Natur gehört hatte – und von (über-)menschlicher Stärke in echter Not.

Gleich zu Beginn des Films legt Boyle die hohe Drehzahl und die große Anspannung im Film fest, indem er Aron bei seinen waghalsigen Outdooraktivitäten permanent folgt. Er fliegt auf seinem Mountainbike durch die farbenfreudige Wüste, kraxelt mit zwei Mädchen, die er auf seiner Wanderung trifft, über rote und goldene Felsen und springt selbstvergessen in blaue Tümpel. Dann kommt die Welt für Aron zu einem abrupten Halt und alle Bewegung findet ab jetzt in seinen Gedanken statt.

Irgendwie kommt an dieser Stelle zunächst Schadenfreude auf. Wer sich so riskant mit der Natur anlegt, waghalsig durch Felsspalten springt, der muss einfach irgendwann mal auf die sprichwörtliche Fresse fallen. In diesem Fall war es ein Felsen, der seine rechte Hand zwischen die Felsspalten geklemmt hatte.

Dass der echte Aron Ralston, der seine Erlebnisse in dem Buch „Im Canyon“ niedergeschrieben hatte, vermutlich weniger waghalsig und arrogant war als der von James Franco interpretierte Bergsteiger, sei erst einmal dramaturgisch in den Raum gestellt.

Es kommt schließlich, wie es kommen musste: Allein in der gottverlassenen Felsspalte muss er Tag und Nacht ausharren. Niemand konnte ihm zur Hilfe eilen, denn er hatte niemandem gesagt, wo er hingefahren war. Sein Handy hatte natürlich auch keinen Empfang so weit draußen.

Die Mädels, mit denen er zuvor baden war, waren mit Sicherheit schon außer Rufweite. Sein Wasservorrat: eine nicht mehr ganz volle Trinkflasche. Und der Felsen war so schwer, dass er ihn nicht einen Millimeter bewegen konnte.

Er benutzte seine Videokamera, um sich selbst zu filmen, letzte Statements abzugeben, in der Hoffnung, dass, wenn er jemals gefunden werden würde, jemand den Film seinen Angehörigen geben würde.

Als sich unvorhersehbare Ereignisse während seiner Gefangenschaft entwickeln, darunter ein Unwetter, das sich als tosende Sturzflut ergießt, schrumpft Arons Gesichtsfeld auf das zusammen, was er aus seinem Canyon erblicken kann – ein wenig Himmel, Sonnenreflexe, einen mysteriösen Raben, seinen eigenen beschädigten Körper... und alles, was ihm durch den Kopf geht.

Für Boyle war die genaue Wiedergabe des nicht zu bremsenden, dynamischen Arons eine Herausforderung an seine eigene Fantasie und seine Fähigkeiten. Er sah die Lösung in einer kreativen Mischung verschiedener Kamera- und Schnitttechniken, die er direkt ins Drehbuch geschrieben hatte – darunter Unterschneidung, Triptychon-Montage (dreigeteiltes Bild) oder der Mix unterschiedlichen Filmmaterials.

Aber um sich des wirklich größtmöglichen visuellen Inputs zu versichern, entschied es sich für etwas, war noch nie realisiert wurde: Er engagierte zwei erstklassige Kameramänner, die den Film gemeinsam drehen sollten - Anthony Dod Mantle, den Kameramann von Slumdog Millionär, und Enrique Chediak, der 28 Wochen später gedreht hat.

»Wir statteten jeden von ihnen mit drei Kamerasystemen aus – traditionelle Filmkameras, Digitalkameras und Fotokameras – und bekamen daher eine ungewöhnliche Vielfalt an Filmmaterial«, erklärt der Regisseur. »Beide schossen wunderschöne, starke Bilder, die einem das Gefühl ständiger Veränderung geben, die Vorstellung, dass Aron auf einer großen Reise ist, selbst wenn er sich nicht mehr als einige Zentimeter bewegte.«

Allen Beteiligten war es wichtig, Teile des Films an exakt den Orten zu drehen, an denen Arons Schicksal seinen Lauf genommen hatte, im Blue John Canyon: einer engen, steil abschüssigen Sandsteindrainage im Canyonlands National Park.

Bis heute ist diese Schlucht nur Abenteuer suchenden Wanderern, Kletterern und Canyonfreaks bekannt. Der Blue John ist so abgeschieden, dass ein Helikopter benötigt wurde um die Crew, die Schauspieler und die nötige Ausrüstung hinein und wieder heraus zu transportieren, und die Beteiligten in einem Camp in der Wildnis übernachten mussten.

Zusätzlich zum Original im wirklichen Blue John Canyon baute der Produktions- und Kostümdesigner Suttirat Larlarb (Slumdog Millionär) die knapp einen Meter breite Nische, in der Ralston gefangen war, in einem Studio nach, was mehr Flexibilität und Sicherheit für längere Dreharbeiten ermöglichte. Um das Aussehen der Felslandschaft wirklich akkurat zu rekonstruieren, kartografierte das Team jede Kontur der Gegend und baute die kurvigen Wände des Canyons sowie den 360 kg schweren Felsbrocken nach, der Aron gefangen hielt.

Danny Boyle mit James Franco am Set
© 20th Century Fox

OT: 127 Hours
USA 2010
Abenteuer/Drama
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
93 min


mit
James Franco (Aron Ralston) Markus Pfeiffer
Kate Mara (Kristi) Esra Vural
Amber Tamblyn (Megan) Nora Kunzendorf
Kate Burton (Arons Mutter) Sabine Arnhold
Treat Williams (Arons Vater) Stefan Gossler
Clémence Poésy (Rana) Marie Bierstedt
Lizzy Caplan (Sonja Ralston) Sarah Riedel

musik
A.R. Rahman

kamera
Enrique Chediak
Anthony Dod Mantle

drehbuch
Danny Boyle
Simon Beaufoy
nach dem Buch „Im Canyon“ („Between a Rock and a hard Place“) von Aron Ralston

regie
Danny Boyle

produktion
Film4
Cloud Eight Films
Everest Entertainment
Darlow Smithson Productions
Dune Entertainment III
HandMade Films
Pathé

verleih
20th Century Fox

Jedes Element des Films, von der Kameraarbeit und dem Design bis zu A.R. Rahmans großartiger und vielseitiger Originalmusik und James Francos intensivem Spiel steigert sich bis zum finalen Moment, bei dem der Zuschauer selbst Eins wird mit Aron Ralston. Man schließt die Augen vor Sympathieschmerz, dürstet nach Wasser und hofft auf Erlösung bzw. Rettung.

Wer vorher denkt: ,Puh, ein Film über einen Typen, der in einer Felsspalte festklemmt - das klingt schon so langweilig', der wird eines Besseren belehrt und nach dem Film genau das Gegenteil behaupten und versuchen, anderen Leuten klarzumachen, dass dies kein langweiliger Film ist. James Franco spielt hervorragend und intensiv, dass man während des Films von Schadenfreude zu Sympathie wechselt. Das ist großes Kino, und dafür ist der Film auch für den Oscar® nominiert. ■