Multiplex
Brighton Rock
Kinostart: 21.4.2011 | Autor: mz

Basierend auf Graham Greenes 1938 erschienenem Literaturklassiker (in Deutschland bekannt unter dem Titel „Am Abgrund des Lebens“) erzählt Brighton Rock vom Aufstieg und Fall eines jungen Gangsters, der seine Ambitionen mit Worten oder Messern gleichsam unerbittlich unterstreicht. Durch die Liebe einer Kellnerin erhält er die letzte Chance, seine dunkle Seele zu retten.

Rowan Joffe, der sich als Drehbuchautor von 28 Days later und The American einen Namen machte, verlegt sein stilsicheres und ansonsten werkgetreues Debüt in die Sechziger Jahre Englands, an den Siedepunkt der Rivalität zwischen Rockern und Mods. Damit reflektiert Joffe nicht nur die Tristesse des Niedergangs, sondern auch die sich abzeichnende Jugendrevolte.

Das britische Seebad Brighton in den Sechziger Jahren: Mods und Rocker erobern mit Vespas und Motorrädern die Straßen, auf dem Pier herrscht Hochbetrieb. Aber in der Unterwelt tobt ein Bandenkrieg. Besonders ehrgeizig treibt der skrupellose Kleinganove Pinkie seine Karriere voran, bis er eines Nachts zu weit geht: Unter dem Pier tötet er einen wichtigen Handlanger des mächtigen Mobsters Colleoni.

Zwar steigt Pinkies Respekt in seiner Gang rasant, aber ein belastendes Foto taucht auf, und Pinkie bleibt keine Wahl, als das Vertrauen der einzigen Zeugin zu gewinnen – der gutherzigen Kellnerin Rose. Sogar einen Heiratsantrag macht er ihr mit gefährlichem Charme. Doch Roses Chefin Ida beobachtet Pinkies Avancen mit Argwohn, um eine Tragödie zu verhindern...

»Natürlich ist das Buch 1947 schon von John Boulting adaptiert worden«, begründet Joffe seine Wahl. »Doch ganz so wie ein Stück von Shakespeare verdient „Brighton Rock” verschiedene Adaptionen. Bei der ersten Verfilmung arbeitete Greene persönlich am Drehbuch mit, und ich maße mir nicht an zu behaupten, dass ich seine Authentizität erreichen oder verbessern könnte.

Aber wir arbeiten nicht unter so strengen Zensurauflagen wie in den späten Vierzigern, so dass wir die Story nun so düster, gewalttätig und fast pervers sinnlich erzählen können, wie Greene sie tatsächlich geschrieben hat.

Ich überlegte anfangs, den Plot in die Gegenwart zu versetzen, denn die Parallelen zur Neuzeit mit zunehmenden Messermorden unter britischen Jugendlichen sind offensichtlich. Aber ich entschied mich dagegen, weil die Liebesgeschichte zwischen Pinkie und der Serviererin Rose dadurch an Kraft verloren hätte.

Die Unschuld und enorme Naivität des Mädchens sind undenkbar im Zeitalter des Internets, und man hätte den Roman kompromittieren müssen, um 2010 glaubhafte Gründe für eine solch isolierte Figur zu finden.«

Für Sam Riley, der inzwischen mit seiner deutschen Kollegin aus Control Alexandra Maria Lara in Berlin lebt, ging ein Traum in Erfüllung. Er kannte den Roman noch aus seiner Schulzeit und erinnert sich gut, als Teenager beim Lesen ein wenig davon fantasiert zu haben, in Pinkies Haut zu stecken:

»Wie oft bekommt man schon die Chance, in fantastischen Anzügen, mit einer Narbe im Gesicht und einem Klappmesser in der Hand auf John Hurt oder Helen Mirren loszugehen? Oder als Vorbereitung auf die Rolle in der Kunst des Taschendiebstahls oder Scooterfahrens unterrichtet zu werden? Ich habe schon immer davon geträumt, mal an einem Sixties-Gangsterfilm mitzuwirken, und näher als Brighton Rock kann kein neuer Film der Tradition dieser Filme kommen.«

Als Milljöhstück der Sechziger kann der Film voll und ganz überzeugen, und ebenso die Schauspieler - der psychopatisch-narzisstische Sam Riley, das schüchterne Mauerblümchen Andrea Riseborough (►We want Sex), Andy Serkis als extravaganter Gangsterboss, Helen Mirren als Stimme der Vernunft sowie John Hurt als ihr langjähriger Freund, der immernoch um ihre Liebe kämpft.

Doch auch wenn sich Joffe detailverliebt in die Sechziger-Adaption gestürzt hat, so ganz überzeugen kann der Film nicht. Die Passagen sind teilweise zu langgezogen, die Motive der Figuren passen nicht so ganz in die Ära und das Finale am Leuchtturm (Hurra, endlich mal wieder ein Showdown an einem Leuchtturm!) wirkt irgendwie deplatziert. Im Gegensatz zur peinlich langweiligen französischen Gangsterkomödie ►Le Mac, der ebenfalls diese Woche startet, ist Brighton Rock jedoch anspruchsvolles Literaturkino, das gehuldigt werden sollte. ■


OT: Brighton Rock
GB 2010
Drama/Krimi
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
111 min


mit
Sam Riley (Pinkie)
Andrea Riseborough (Rose)
Helen Mirren (Ida)
Andy Serkis (Mr. Colleoni)
John Hurt (Phil Corkery)
Sean Harris (Hale)
Philip Davis (Spicer)
Steven Robertson (Crab)
Nonso Anozie (Dallow)
Maurice Roëves (Inspector)

musik
Martin Phipps

kamera
John Mathieson

drehbuch
Rowan Joffe
nach dem gleichnamigen Roman von Graham Greene

regie
Rowan Joffe

produktion
BBC Films
Kudos Film and Television
Optimum Releasing

verleih
Kinowelt