Multiplex
Wer ist Hanna?
Kinostart: 26.5.2011 | Autor: mz

Saoirse Ronan ist immer noch ein Teenager und doch schon eine Oscar®-nominierte Schauspielerin, die mit jeder neuen Rolle wieder aufs Neue begeistert. Und doch bedient sie sich keiner Methode, um in die Haut ihrer Figuren zu schlüpfen, wie sie beteuert: »Ich glaube nicht, dass ich eine habe. Ich bin nicht die Art von Schauspielerin, die durch ihre Rollen lebt.«

Und doch erklärt sie: »Aber natürlich will ich, dass alle meine Rollen Herausforderungen darstellen. Hanna hielt dank seiner Action und der vielschichtigen Figur einige davon parat. Der Film lässt sich mit keinem der Dramen, die ich bisher gemacht habe, vergleichen. Es geht um einen Teenager, der im Wald großgezogen wurde und als Lehrer nur seinen Vater hatte. Sie hatte noch nie in ihrem Leben mit einem anderen Menschen Kontakt. Wir lernen sie kennen, als sie ihre ersten Schritte in die Welt unternimmt. Sie ist von allem und jedem fasziniert. Ihre beste Qualität ist, wie ich finde, dass sie keine Urteile fällt. Sie ist offen für alles, die ganze Welt ist ein Wunder für sie. Man kann sie durchaus als Freak beschreiben. Aber das gefällt mir. Ich mag Freaks.«

Hanna ist zwar noch ein Teenager, aber unterscheidet sich stark von anderen jungen Mädchen ihres Alters: Sie verfügt bereits über die Stärke, Ausdauer und Fähigkeiten eines Soldaten. Ihr Vater, ein ehemaliger CIA-Agent, hat sie in der Wildnis von Finnland großgezogen und alles daran gesetzt, sie durch jahrelanges Training zu einem perfekten Killer zu machen.

Auf dem Weg zum Erwachsenwerden erfährt Hannas Leben einen dramatischen Wendepunkt, als ihr Vater sie auf eine Mission hinaus in die Welt schickt. Es ist ihre Entscheidung, ein Leben in der Zivilisation zu führen, die Welt kennenzulernen. Nachdem sie das Notsignal einschaltet, bricht die Hölle los - in Form der Geheimagentin Marissa, die persönliche Gründe hat, Erik und seine Tochter in der Versenkung zu belassen.

Nachdem sie aus dem versteckten CIA-Komplex ausbrechen konnte, in dem sie festgehalten und verhört wurde, macht sich Hanna auf den Weg nach Berlin, um dort ihren Vater und ihre Vergangenheit wiederzufinden. Schließlich eskaliert es im stillgelegten Vergnügungspark zum Höhepunkt, als Hanna und Erik auf Marissa treffen. Im Kugelhagel kommt die Wahrheit ans Licht, die ihr Leben verändern wird...

Eric Bana gefiel die Komplexität der Figuren. Er merkt an: »Erik hat durchaus väterliche Qualitäten; er ist ein Beschützer und ein Lehrer. Er hat Hanna aber auch ewig darauf vorbereitet, Kämpfe sowohl geistig wie auch körperlich zu überleben, also war er auch ein unerbittlicher Ausbilder für sie gewesen. Und doch ist es so, dass die harte Realität da draußen umso schockierender für ein Kind ist, je mehr die Eltern es vor der Welt beschützt haben. Hanna begibt sich in große Gefahr.«

Das merkt sie, als sie als blinder Passagier bei einer britischen Familie mitreist, die in den Campingurlaub fährt. Dabei muss sie sich einerseits vor Auftragskillern verstecken, die ihr auf der Fährte sind, als auch darauf bedacht sein, das Leben der Familie zu schützen, mit der sie reist. Dabei entdeckt sie auf für den Zuschauer schmunzelnde Weise, was es draußen in der Welt heißt, ein Teenager zu sein, eine Kindheit zu haben, bei der es nicht tagtäglich ums Überleben geht.

Viele dieser komischen Szenen entstanden im Zusammenspiel zwischen Ronan und der jungen britischen Schauspielerin Jessica Barden, die gerade erst in Tamara Drewe (Immer Ärger um Tamara) positiv aufgefallen ist. »Mir gefiel die Beziehung zwischen Sophie und Hanna außerordentlich gut«, erzählt sie. »Sie sind wie zwei kleine Blumen. Sie finden einander sehr spannend, weil sie so grundlegend unterschiedlich sind.«

»Hanna muss erwachsen werden und Verantwortung übernehmen, als ihr Vater die Kontrolle abgibt«, erzählt Bana weiter. »Ich bin selbst ein Vater. Für mich war Hanna eine übersteigerte Version des Albtraums aller Eltern, wenn das Kind erste eigene Schritte macht.«

Die Bedrohung hat einen Namen: Oscar®-Gewinnerin Cate Blanchett spielt die dritte Hauptfigur des Films, die eiskalte Stahlmagnolie Marissa Wiegler, eine CIA-Agentin, die vor langer Zeit gemeinsam an vorderster Front mit Erik gearbeitet hat. Jetzt sitzt sie im CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia, wo sich Wieglers Leben, wie Blanchett sagt, »um das Erzählen von Lügen und das Bewahren von Geheimnissen dreht, eine Aufgabe, der sie sich voll und ganz verschrieben hat.«

»Marissa hat in den Neunzigerjahren verdeckt in Deutschland gearbeitet – sie hat die Unmittelbarkeit der Geheimoperationen genossen. Die eine, an der sie mit Erik beteiligt war, ging daneben und wurde abgeschossen. Das nagt noch heute an ihr, das hat sie der Agency nicht verziehen und für sich selbst hat sie nichts als Verachtung übrig. Als Erik und Hanna wieder auf der Bildfläche erscheinen, kehrt sie zurück ins operative Geschäft, um nun ihrerseits die beiden abzuschießen. Die Jagd nach Hanna ist zunächst eine berufliche Notwendigkeit für sie, entwickelt sich aber schnell zu einer pathologischen Besessenheit. Sie will dieses Kind besitzen. Mich erinnert sie an die böse Hexe aus „Hänsel und Gretel“. Die Märchenelemente verleihen den Szenen eine überhöhte Qualität.«

Unterstützt von finanziellen Anreizen und beträchtlicher logistischer Unterstützung durch die North Finland Film Commission, wählten Joe Wright und sein Team für Hannas und Eriks Zuhause eine atemberaubend schöne Landschaft rund um Kuusamo, unmittelbar in der Nähe der südlichen Grenze Lapplands.

»Diese Gegend gab uns die nötige Größe und Weite, es war magisch«, sagt Szenenbildnerin Sarah Greenwood. »Wir waren nur 40 Kilometer südlich vom Arktischen Kreis und 40 Kilometer von Russland entfernt. Da gab es Bäume, die sahen aus, als seien sie gemalt.«

Einige der Drehorte konnten nur mit Hilfe von Schneemobilen erreicht werden. Die Weite der verschneiten Wildnis half auch, die Lebensumstände und Fähigkeiten der Hauptfiguren zu verdeutlichen. Niemanden wunderte es, als die Temperatur beim Dreh in Finnland bisweilen auf minus 33°C fiel. »Ich ziehe das Wetter in Irland vor, zumindest wenn es nicht regnet«, meint Saoirse Ronan. Produzentin Leslie Holleran erinnert sich: »Morgens bedeckte der Dunst vom Fluss unter anderem die Augenwimpern und Bärte mit Frost.«

Von Finnland ging es für die Produktion weiter nach Bayern im Süden Deutschlands, nahe an der Grenze zu Österreich. Gedreht wurde in und um Bad Tölz, im Schatten der Alpen. Der einwöchige Aufenthalt diente für die Aufnahmen in und um die Holzhütte von Erik und Hanna. Die Temperaturen waren signifikant höher als in Finnland – so hoch, dass zum Teil künstlicher Schnee herbeigeschafft werden musste.

Der Dreh in Deutschland wurde durch lokale und regionale Förderungen sowie dem DFFF möglich gemacht. Ein weiterer wichtiger Drehort in Berlin war der Spreepark, ein verlassener Vergnügungspark im Osten der Stadt. »Wenn die Lichter ausgeschaltet sind und der Glitzer verschwunden ist, geht von einem Vergnügungspark eine bösartige Atmosphäre aus«, merkt Kameramann Küchler an.

Hamburgs berühmt-berüchtigtes Rotlichtviertel war ideal für einen weiteren Schauplatz des Films: Isaacs’ Nachtclub, den Marissa gezielt besucht, um seinen Besitzer für die Jagd auf Hanna zu rekrutieren, wird vom Safari Club dargestellt. Es ist der letzte noch verbliebene Live-Sexclub in Deutschland. Das Innere sieht immer noch so aus wie in den 60er Jahren, und der Produktion war es nicht gestattet, irgendwelche Änderungen vorzunehmen, weil das Dekor unter Denkmalschutz steht. Zudem musste man um 22 Uhr mit dem Dreh fertig sein, damit der Safari Club danach regulär seine Pforten für seine Gäste öffnen konnte.


OT: Hanna
USA/D 2011
Thriller
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
111 min


mit
Saoirse Ronan (Hanna) Stella Sommerfeld
Eric Bana (Erik) Benjamin Völz
Cate Blanchett (Marissa) Arianne Borbach
Tom Hollander (Isaacs) Axel Malzacher
Olivia Williams (Rachel) Sabine Falkenberg
Jason Flemyng (Sebastian) Bernd Vollbrecht
Jessica Barden (Sophie) Marie-Christin Morgenstern
John MacMillan (Lewis)
Tim Beckmann (Walt)
Vicky Krieps (Johanna Zadek)

musik
The Chemical Brothers

kamera
Alwin H. Kuchler

drehbuch
Seth Lochhead
David Farr

regie
Joe Wright

produktion
Holleran Company
Studio Babelsberg
Translux

verleih
Sony

Bei Hanna gab es einen Aspekt, der im Schaffen von Joe Wright völlig neu war: Die Schauspieler mussten sich bei einem ausgearbeiteten Trainingsprogramm auf die rigorosen Actionszenen vorbereiten. Das erwies sich als ausgezeichnete Gelegenheit, die Bande zwischen Vater und Tochter zusätzlich zu stärken.

Bana erinnert sich: »Saoirse absolvierte ihr Training mit mir zusammen, und sie war perfekt vorbereitet, in ausgezeichneter Form. Sie war besser als mancher Mann, mit dem ich im Verlauf der letzten Jahre gearbeitet habe. Meistens ist es schwieriger, mit einem anderen Schauspieler zu kämpfen als mit einem ausgebildeten Stuntman, aber Saoirse war mit jeder Faser ihres Körpers dabei. Unsere Kampfszenen waren einzigartig. Ein Vater, der seine Tochter ausbildet, anstatt zwei Kontrahenten, bei denen es um Sieg oder Niederlage geht.«

Er berichtet weiter: »Es stellte sich heraus, dass ihre Reichweite ausgesprochen groß ist, fast so groß wie meine. Ich musste bei unseren Kampfausbildungsszenen verdammt aufpassen, denn diese Fäuste kamen mit ziemlich viel Schub erschreckend nahe. Vorsicht war geboten, dass ich sie nicht niederschlage – aber auch genauso, dass sie nicht mich zu Boden schickt. Ich habe mit vielen Männern gearbeitet, die nicht halb so zäh sind wie Saoirse.«

»Ich weiß, ein paar Mal habe ich Eric heftig erwischt«, gesteht Ronan. »Aber Joe hatte mir gesagt, ich solle mich und andere nicht schonen.« Und Bana offenbart: »Saoirse und ich hatten eine klasse Zeit miteinander. Sie ist Irin, ich bin Australier, wir sind also verwandte Seelen mit einem ähnlichen Sinn für Humor. Ihrer ist ganz schön fies.«

Danach zog die Produktion weiter nach Marokko, »wo das Thermometer bis auf 50°C kletterte“, erzählt Holleran. »Wir lernten schnell, dass man sich Schals und Tücher um den Kopf wickeln muss, um sich zu kühlen.«

Der erste Stopp in Marokko war in den Wüsten rund um Ouarzazat, eine Stadt, die man auch als „Tor zur Wüste“ kennt. Man ließ sich im Zentrum der Stadt nieder, und die Crew arbeitete auf der Straße der Kasbahs, die nach Zagora führt und als letzter Stopp für Kamelkarawanen gilt, bevor man Timbuktu erreicht.

Das Publikum wird ein gutes Gespür für die Gegend erhalten, was auf ausgedehnte und komplexe Kamerafahrten zurückzuführen ist, die Regisseur Wright mit seinem Kameramann und dessen Team ausarbeitete.

Schauspieler Jason Flemyng sagt: »Wenn man Teil einer solchen Einstellung ist, dann lastet ein ziemlicher Druck auf einem, speziell, wenn man erst am Ende der Aufnahme auftaucht. Wir haben unsere Sache gut gemacht. Der Grund für die eine Klappe, die schief ging, war ein Kamel, das mit der Kamera kollidierte. Es war aufregend, bei solch einer komplexen Aufnahme dabei zu sein – einer der Gründe, warum ich unbedingt mit Joe Wright arbeiten wollte.«

Regisseur Joe Wright im Gespräch mit Saoirse Ronan am Set
© Sony Pictures

Die zahlreichen beeindruckenden Orte, die spannend erzählte Geschichte, die bombastische Filmmusik von den Chemical Brothers und die erstklassigen Schauspieler lassen keine Langeweile aufkommen. Wer also mal wieder das Adrenalin im Kino spüren will, ohne großartig auf Spezialeffekte und Fantasyelemente zurückgreifen zu müssen, der ist bei diesem Film genau richtig. ■