Fernseher
Weißensee
14. September 2010 | 20:15 | Das Erste | Autor: mz

Nach 25 Jahren Lindenstraße wurde es langsam höchste Zeit, einmal eine Familiengeschichte von der anderen Seite der Mauer zu erzählen. Bislang wurden Geschichten aus dem „Osten“ lediglich in Kino- und TV-Filmen erzählt. Mit Weißensee kommt nun die erste Familienserie ins, wo sonst, Erste Deutsche Fernsehen, die in den 80er Jahren in Berlin, der Hauptstadt der DDR, spielt.

Während es in Goodbye Lenin! noch um die Verarbeitung des Untergangs der DDR ging und man in Sonnenallee die Mauer mit einem Augenzwinkern betrachtete, beschäftigte sich der ZDF-Film Das Wunder von Berlin 2008 direkt mit dem Fall der Mauer und einigen dazu gehörigen Schicksalen.

Jetzt zeigt Das Erste in wöchentlichem Rhythmus 6 Folgen einer Familiensaga, die vor dem Fall der Mauer im ehemaligen Ostberlin spielt. Es ist allerdings eine fiktionale Serie, die, so gut wie heutzutage möglich, versucht, das Leben in der DDR wiederzugeben, ohne dokumentarisch zu wirken.

Erzählt wird die Geschichte von zwei Familien. Da sind zum Einen die Kupfers: Hans ist Stasigeneral, Sohn Nr. 1 Falk arbeitet in seinem Stab, Sohn Nr. 2 Martin bei der Volkspolizei. Falk hat eine Frau mit Alkoholproblemen, Martin eine gescheiterte Ehe mit einer Tochter, um die er sich liebevoll kümmert.

Die andere Famlie besteht nur aus 2 Mitgliedern: Dunja Hausmann ist Liedermacherin und mit ihren aufmüpfigen Texten der Stasi ein Dorn im Auge. Ihre Tochter Julia arbeitet in einem Kosmetiksalon, wo sie sich gern mit der Kundschaft und ihrer Vorgesetzten anlegt.

Jetzt kommt die Dramaturgie ins Spiel. Julia hat einen amerikanischen Freund, der sie über die Grenze schmuggeln will. Eines Nachts werden die beiden von Martin und seinem Streifenkollegen bei einem Verkehrsdelikt erwischt und festgenommen. Martin verknallt sich in sie.

Dunja Hausmann steht unter ständiger Beobachtung der Stasi, besonders durch Hans Kupfer, denn dieser hält eine schützende Hand über sie, weil sie seine große, ungelebte Liebe ist. Als Martin jedoch mit Dunjas Tochter bei einer Familienfeier auftaucht, dampft das Pulverfass bereits.

In einem Stasihaushalt hat die mit Fernweh geplagte Tochter einer aufmüpfigen Liedermacherin nichts zu suchen! Und schon stellt sich die nächste Frage: Ist Julia vielleicht sogar Hans' Tochter?! Die Lage wird immer verzwickter und komplizierter, und vor allem spannender...

Gut, man kann jetzt über den Inhalt der Geschichte wettern - die Stasi ist wieder überall und über Jeden informiert und hat ihre Finger im Spiel. Aber eine Serie über eine gewöhnliche DDR-Familie ohne politische Einflussnahme wäre so wie die Geschichte einer texanischen Familie ohne intrigante Ölgeschäfte!

Aber die Serie ist eigentlich ganz gut gemacht. Details wie z.B. diese Waffelschalen, in denen es Softeis gab, Kostüme, Bauten, Dialoge usw. lassen die DDR ein wenig wieder auferleben. Allerdings hat man es versäumt, Originalaufnahmen bei Zwischenbildern einzuflechten. So fahren z.B. die modernen S-Bahn-Züge von heute über den Bahnhof Friedrichstraße, wo ja zudem noch eigentlich ein Grenzübergang war, an dem die Ost-West-Besucher von der Ost-S-Bahn in die West-S-Bahn umsteigen mussten - ein gewaltiger faux pas!

Der Gesamteindruck jedoch weckt das Interesse, mehr davon zu sehen. Man will wissen, wie es in der nächsten Folge weitergeht. Als Dramaserie ist sie unbedingt zu empfehlen, während sie zum Stopfen von Bildungslücken nur bedingt nützt. Mit den hochkarätigen DDR-Schauspielern Uwe Kockisch und Katrin Sass sowie Florian Lukas, Hannah Herzsprung und Anna Loos inszenierte Friedemann Fromm (Schlaraffenland) zusammen mit Produzentin Regina Ziegler diese doch recht interessante Serie für die ARD, die ab dem 14. September immer dienstags um 20:15 ausgestrahlt wird. Und eine Fortsetzung ist bereits in Planung... ■


OT: Weissensee
D 2010-
Drama
Deutsche Erstausstrahlung:
14.9.2010 Das Erste
Episoden á ca. 45 min


mit
Florian Lukas (Martin Kupfer)
Hannah Herzsprung (Julia Hausmann)
Uwe Kockisch (Hans Kupfer)
Katrin Sass (Dunja Hausmann)
Ruth Reinecke (Marlene Kupfer)
Jörg Hartmann (Falk Kupfer)
Anna Loos (Vera Kupfer)
Jonas Hämmerle (Roman Kupfer)
Stephan Grossmann (Peter Görlitz)
Hansjürgen Hürrig (Generalleutnant Gaucke)
Sven Lehmann (Major Geifel)
Chantal Hourticolon (Lisa Grambow)

musik
Stefan Mertin

kamera
Michael Wiesweg

drehbuch
Annette Hess

regie
Friedemann Fromm

produktion
Ziegler Film & Company

sender
Das Erste (D)