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Fasten auf Italienisch - Interview mit Olivier Baroux
Samstag, 22.1.2011 | Autor: mz | Quelle: Arsenal

Olivier Baroux begann seine Karriere beim freien Radiosender Caen FM. Später war er fünf Jahre lang Spezialist für große Events beim Radiosender RVS (Radio Vallée de Seine). 1991 ging er zum Pariser Rockradio Ouï FM, wo er auf Kad Merad traf, mit dem er im Jahr darauf das Komikerduo „Kad et Olivier“ gründete. Gemeinsam präsentierten die beiden die Sendung Rock’n Roll Circus. Mit dem Programm La Grosse Émission setzten sie ihre Karriere zwischen 1999 und 2001 beim Kabelsender Comédie! fort.

Olivier hatte einige Auftritte im Kino, doch seine Filmkarriere startete erst 2003 mit dem Film Mais qui a tué Pamela Rose?, in dem er zusammen mit Kad Merad auftrat und am Drehbuch schrieb. 2005 spielte er den Geist Ouz in dem Film Iznogoud, nach einer Comicvorlage von René Goscinny und Jean Tabary. Seine bisherigen Filme Ce soir, je dors chez toi (2007) und Safari (2009) inszenierte er mit seinem Kumpan Kad Merad als (bzw. einer der) Hauptdarsteller. Im Sommer kommt sein neuer Film Les Tuche ins französische Kino - mit Jean-Paul Rouve (Ce soir, je dors chez toi) als auch mit ihm selbst und Kad Merad in Nebenrollen.

Wie sind Sie auf diese ungewöhnliche Produktion gekommen?

Kad und ich hatten bereits seit langem Lust, eine Komödie zu einem etwas hintergründigeren Thema zu machen. Wir wollten nicht gleich eine gesellschaftskritische Komödie drehen, aber wir träumten davon, in einem Film etwas mehr zeigen zu können, ohne den Humor zu verlieren, der schon immer unser wichtigster Lebensgrund war. Wir haben beide gesucht, bis wir das Drehbuch von Nicolas Boukhrief und Éric Besnard über die Schwierigkeiten, die auch heute noch bestehen, ein Franzose mit Migrationshintergrund zu sein, entdeckt haben.

Ihre ursprüngliche Version der Geschichte war sehr anders, eher realistisch, oder?

Nicolas Boukhrief kommt nicht von der komödiantischen Seite, und mit Éric Besnard hatten wir glücklicherweise jemanden, der sich vorstellen konnte, dass wir dem Thema eine leichtere Handschrift verpassen könnten.

Wie war der Prozess des Umschreibens?

Zuerst einmal hatte ich das Bedürfnis, das Essentielle herauszuarbeiten, um mich gefühlsmäßig dem Film annähern zu können: Die Hauptperson sollte keinen perfekten Italiener spielen, sondern sollte als perfekter Franzose, fast schon als Karikatur davon, durchgehen. Zweifellos zu bemüht, da er ja sogar, um vor seinen Kollegen das Gesicht nicht zu verlieren, ihre rassistische Haltung übernimmt.

Der Film würde nicht für jeden lustig werden. Um mir ganz sicher zu sein, gab ich das überarbeitete Drehbuch Kad, und er meinte: »Unmöglich.« Schließlich geht es auch ums Geld! [lacht] Das ist der Vorteil, wenn man sich gut kennt! Ich habe mich also noch mal an die Arbeit gemacht und das Drehbuch mit Kads Vorschlägen verbessert.

Inwieweit ähnelt die Hauptfigur Kad Merad, bevor er berühmt wurde?

Ich glaube, dass Kad weniger als sein Vater unter diesen kleinen, alltäglichen Diskriminierungen zu leiden hatte, denen Migranten aus dem Maghreb und Afrika ausgesetzt waren. Im Gegensatz zu Dino im Film entschied Kad, dass er seinen Vornamen nicht ändern müsse, um seine Herkunft zu verschleiern. Er hat eine Silbe fallen lassen, was eine kleine Anpassung an die gesellschaftliche Realität bedeutet, die ich aber eher interessant finde. Dennoch hat er sich nie auf eine Rolle festlegen lassen.

Als Kad mir erzählte, dass und warum sein Vater sich sein ganzes Leben Rémi nannte, fand ich das unglaublich. Wenn man da ein wenig genauer hinsieht, entdeckt man, dass viele Männer dieser Generation dasselbe gemacht haben, beispielsweise für ein Vorstellungsgespräch einen französischen Vornamen wählten.

© Abaca

Das ist genau die Haltung, die Dino im Film innehat.

Ja, weil er nicht die beruflichen Möglichkeiten verpassen wollte, die ihm deshalb angeboten wurden. Und er zieht es durch: Er erfindet nicht nur einen italienischen Vornamen, sondern gleich eine ganze Familie dazu! Er versinkt in einer endlosen Identitätslüge, vor allem in den Augen seiner Freundin. Genau da gleitet das Thema ins Komödienhafte ab.

Der Film unterstreicht die Bedeutung von Religion, da Dino sich entschließt, den Regeln des Koran zu folgen, um seinem Vater einen Gefallen zu tun. Wie haben Sie diesen Aspekt herausgearbeitet?

Stéphane Ben Lahcene hat uns geholfen, die Szenen so korrekt und glaubwürdig wie möglich zu gestalten, in denen Dino betet und versucht, die Regeln des Ramadan zu befolgen.

Die Gebetsszenen strahlen eine schöne Feierlichkeit aus und bieten Kad einige Momente reiner Emotionalität. Wie führt man Kad Merad bei starken Gefühlen?

Ganz einfach. Um so mehr als diese Szenen für Kad selbst eine besondere Bedeutung hatten, die er mit einem Coach erarbeitete, um sie protokollarisch richtig zu gestalten. Das hat uns echte Streitereien eingebracht, da ich ein Gebet auf der Terrasse drehen wollte, mit Sonnenaufgang und er dazu meinte: »Auf keinen Fall. Das Gebet ist drinnen.« Ich bat ihn, für die Schönheit der Aufnahme einen kleinen Verstoß gegen die orthodoxen Regeln zu begehen. Und schlussendlich machten wir die Ausnahme.

Sind Sie gläubig?

Weder gläubig noch praktizierend, was mich nicht davon abhält, großen Respekt vor Religion im allgemeinen zu haben, die von den meisten mit einer großen Toleranz praktiziert wird. Die Szenen, in denen Dino einen Imam konsultiert und einen Fundamentalisten trifft, haben wir so gedreht, wie wir es mit einem christlichen Pfarrer gemacht hätten.

Wann wurde Ihnen bewusst, dass wir in einer multiethnischen Gesellschaft leben?

Eigentlich ziemlich spät! Ich wurde in den 1970ern in der Normandie groß, und vor Kad hatte ich keine maghrebinischen Freunde. [lacht] Wenn ich richtig nachdenke, fällt mir ein, dass ich einen afrikanischen Freund hatte, aber das war auf einer Privatschule in Caen, sein Vater war Diplomat - also nicht wirklich repräsentativ! Also sehr spät... Als ich Anfang der 80er in Paris ankam, entdeckte ich, dass verschiedenen Nationalitäten ganze Stadtteile besiedelten.

Wie fanden die anderen Darsteller ihren Platz zwischen Kad und Ihnen?

Kad ist letztlich derjenige, mit dem ich am wenigsten diskutiere. Wir haben uns davor schon so viel ausgetauscht (das dauert jetzt immerhin schon 20 Jahre), dass es beim Drehen immer sehr schnell geht. Ich verbringe mit den anderen Darstellern wesentlich mehr Zeit.

Ist der Film Ihr Beitrag zur gegenwärtigen Identitätsdebatte?

Nein, ich habe eine Komödie mit einem sozialen Hintergrund gemacht, mit der ich am besten meine Position zu dieser Fragestellung darstellen konnte. Aber wenn Fasten auf Italienisch das Publikum auch nur ein klein wenig zur Reflexion über dieses Thema anregt, um so besser. Fasten auf Italienisch ist ein Film, der Kad und mir ähnelt, in dem was wir lieben und können: die Menschen zum Lachen bringen und sie rühren. ■

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