Das Magazin - Interviews & Berichte
Fasten auf Italienisch - Interview mit Kad Merad
Samstag, 22.1.2011 | Autor: mz | Quelle: Arsenal

Kad Merad wurde 1964 unter dem Namen Kaddour Merad in Algerien geboren und wuchs in Frankreich auf. Als Jugendlicher trat er mit mehreren Bands als Schlagzeuger und Sänger auf. Seine Darstellerlaufbahn startete er im Club Méditerranée, doch schon bald wechselte er ans Theater, wo er in klassischen Stücken spielte.

1991 wurde er vom Pariser Radiosender Oüi FM als Moderator eingestellt. Dort lernte er Olivier Baroux kennen, mit dem er im Jahr darauf das Komikerduo „Kad et Olivier“ gründete. Gemeinsam präsentierten die beiden die Sendung Rock’n Roll Circus. Mit dem Programm La Grosse Émission setzten sie ihre Karriere zwischen 1999 und 2001 beim Kabelsender Comédie! fort.

Parallel spielte Kad Merad erste kleinere Filmrollen. Mit ihrer selbst geschriebenen Komödie Mais qui a tué Pamela Rose? landeten die beiden Komiker 2003 ihren ersten großen Kinoerfolg, den sie 2006 mit der Sci-Fi-Komödie A Ticket to Space (Un ticket pour l’espace) wiederholten.

2004 wirkte Kad Merad als Chabert in Christophe Barratiers hoch gelobtem Film Die Kinder des Monsieur Mathieu mit. Die Rolle des Vaters in Philippe Liorets Film Keine Sorge, mir geht’s gut stellte einen mutigen Schritt ins ernste Fach dar, der sich jedoch gleich auszahlte: 2007 wurde er dafür mit dem César als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Die Komödie Willkommen bei den Sch’tis, in der Merad 2008 eine Hauptrolle spielte, wurde mit über 20 Millionen Zuschauern der erfolgreichste französische Kinofilm aller Zeiten.

Ihre Mutter ist Französin und Ihr Vater kommt ursprünglich aus Algerien. Was sind Ihre ersten Erinnerungen an Algerien?

Als wir in den Ferien im August dorthin fuhren. Mein Vater hatte einen Ami 8, wir vier Kinder saßen auf dem Rücksitz, meine Schwester und meine Brüder. Das war krass, das kann ich Ihnen versichern. Ich erinnere mich, dass wir mindestens drei Stunden an der marokkanisch-algerischen Grenze warten mussten. Die Reise dauerte mindestens drei Tage, ohne Klimaanlage, und wir übernachteten im Auto. Die Ankunft im Dorf war ein Fest. Meine Großeltern hatten einen kleinen Bauernhof in Ouled Mimoun (auf französisch Lamoricière), in der Nähe von Tlemcen.

Wie wurden Sie dort empfangen?

Alle waren supernett zu uns, mit einer ansteckenden, direkten Warmherzigkeit. Wir waren ja trotzdem die „kleinen Weißen“, auch wenn die Integration dank unserer Vornamen etwas einfacher war: Kaddour, Karim, Yasmina und Reda. Unsere Mutter wollte, dass wir arabische Vornamen haben.

Können Sie arabisch sprechen?

Nein, gar nicht. Und meine Großmutter konnte kein Französisch. Doch trotzdem herrschte zwischen uns eine innige Verbundenheit. Wir verbrachten unsere Ferien damit, aus vollem Hals zu singen und im Hof zu spielen. Ich erinnere mich an einen Springbrunnen, und dass wir uns wie Könige fühlten. Wir waren nicht wirklich daheim, und doch fühlten wir uns wie zu Hause.

Hatten Sie keine Lust, die Sprache zu lernen?

Arabisch ist eine sehr schwierige Sprache, und unser Vater drängte uns nie. Manchmal glaubte ich, dass es nur eine Sprache zum Anschreien sei, als so martialisch empfand ich sie. Aber heute bedauere ich, dass ich mich nicht mehr darum bemüht habe. Ich könnte beides sprechen und würde weniger dumm aus der Wäsche gucken, wenn ich auf Landsleute treffe, die mich gleich auf arabisch vollquatschen, weil sie glauben, dass ich es sprechen kann! [lacht]

Was gefällt Ihnen an dieser Kultur?

Wenn ich arabische Musik höre, bekomme ich Gänsehaut. Das erinnert mich an die Sonntage meiner Kindheit. Mein Vater liebte es, Musik aus seiner Heimat zu hören, während er Couscous zubereitete.

Sind Sie trotz oder wegen Ihrer Herkunft Schauspieler geworden?

Ein wenig von beidem, tatsächlich. Ich war Schauspielschüler und wegen meines Namens entging mir eine Hauptrolle im Theater. Damals frustrierte mich das sehr, aber heute ist das nur noch eine vage Erinnerung.

Kam die Hauptrolle dann doch noch?

Ja, die eines maghrebinischen Erziehers in der Fernsehserie Le Tribunal. Meine Figur hieß Ahmed Ben Mabrouk und ich sagte mir, dass ich aufpassen müsse, nicht auf die Rolle des Arabers vom Dienst festgelegt zu werden. Damals hätte ich beinahe die gleiche Dummheit wie Mourad im Film begangen und meinen Namen in François Merad geändert – als Türöffner. Ich habe ernsthaft daran gedacht.

Hatte Ihr Vater in seiner Jugend dasselbe getan?

Mein Vater heißt Mohamed, aber jeder kannte ihn als Rémi. Das gefiel ihm, damit vermied er es, dass die anderen über seine Herkunft nachdachten, und hatte im Berufsleben seine Ruhe. Aber ich wollte dieses Schema nicht wiederholen und blieb Kaddour, wenn auch unter der Abkürzung Kad.

Fasten auf Italienisch gibt also die Wirklichkeit wieder?

Absolut. Wir wollten keinen politischen Film machen, aber die Geschichte kratzt an einem sehr zeitgemäßen Thema, am Verständnis von Identität und Nationalität. Der Film blickt wie durch eine Lupe darauf, macht eine Bestandsaufnahme. Zwar mit komischen Mitteln, aber die Aussage stützt sich auf die Realität. Die französischen Pizzerias werden von vielen Mourads betrieben, die sich Dino nennen. [lacht]

Bedeutet Fasten auf Italienisch eine neue Arbeitsweise?

Ich glaube nicht, dass das das Ziel ist. Olivier und ich haben bereits soviel zusammen gemacht, dass wir mal was Neues ausprobieren wollten. Als wir das Originaldrehbuch von Nicolas Boukhrief und Éric Besnard entdeckten, waren wir zunächst einmal einfach total von der Tiefe des Themas berührt. Ohne etwas von dem leugnen zu wollen, was wir bis dahin gemacht haben, ist Fasten auf Italienisch etwas ganz anderes, sogar als Safari, der reinen Komödie nur zum Loslachen. Wegen unseres Alters und der Tatsache, dass wir Kinder haben, fühlen wir uns zweifellos verantwortlicher.

Der Film thematisiert die Bedeutung von Religion im alltäglichen Leben der Hauptperson. Er ist nicht gläubig, aber um seinem Vater zu gefallen, versucht er, religiös zu leben. Wie ist es bei Ihnen?

Weder mein Vater noch meine Mutter waren gläubig. Wir essen nur kein Schweinefleisch. Ich erinnere mich nur daran, dass meine Großmutter betete, aber diskret in ihrem Zimmer. Das war nichts besonderes, wir sprachen noch nicht einmal darüber.

Wie fanden Sie die Gebetsszenen?

Ich war sehr bewegt. Die Vorarbeit mit einem Berater, der mir die Zeremonie nahe brachte, hatte mich mental auf dieses Gefühl eingestimmt. Ich wollte das so gut machen, dass mir diese Religiosität abgenommen wird. In der Tat berührt mich die Geschichte dieses Mannes. Sie gefällt mir. Fasten auf Italienisch ist die Geschichte eines Mannes, der sich von seinen Ängsten befreit und sich selbst kennenlernt.

Und ich hätte jetzt Lust, mit meinem Sohn Khalil nach Algerien zurückzukehren, um ihm den Familienhof zu zeigen und die Geschichten zu erzählen. ■

Interview mit Olivier Baroux dead like...Bernd Eichinger