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Königin Victoria
Freitag, 23.4.2010 | Autor: mz

Alexandrina Victoria wird am 24. Mai 1819 als einziges Kind von Edward, Herzog von Kent, und Prinzessin Marie Louise Victoria aus dem Hause Sachsen-Coburg-Saalfeld im Kensington Palace geboren. Ihr Vater ist der Sohn des englischen Königs George III., ihre Mutter eine Tochter des Herzogs von Sachsen-Coburg.

Da Edward stirbt als Victoria erst acht Monate alt ist, wächst diese unter dem strengen Regiment ihrer Mutter auf, die sie fast vollständig von ihrer Verwandschaft fernhält. Eine Abneigung, die auf Gegenseitigkeit beruht: Auch König George IV, der wenige Tage nach dem Tod seines Bruders den britischen Thron bestiegen hat, ignoriert seine Schwägerin und dessen Tochter, so dass die beiden nur dank der finanziellen Unterstützung von Prinz Leopold, dem Bruder der Herzogin, im Kensington Palace bleiben können. Der Einfluss ihrer deutschen Gouvernante, der Baronin Louise Lehzen, sorgt dafür, dass Victoria in ihrer frühesten Kindheit nur Deutsch spricht.

Die Herzogin gerät in den folgenden Jahren zunehmend unter den Einfluss ihres Nachlassverwalters Sir John Conroy. Dieser rechnet damit, dass Victoria zum Zeitpunkt ihrer möglichen Thronbesteigung noch unmündig sein und er somit an Macht gewinnen könne. Um seine Position zu festigen, isoliert Conroy die beiden immer mehr von den britischen Hofkreisen und beschert Victoria eine stark überwachte und sehr einsame Kindheit. Als absehbar ist, dass sie zum Zeitpunkt des Thronwechsel bereits volljährig sein würde, versucht er ihr eine Unterschrift abzuringen, die ihn in Zukunft zum höfischen Privatsekretär gemacht hätte. Victoria gelingt es jedoch, dem Druck standzuhalten. Sie unterzeichnet das Dokument nicht.

Nach dem Tod ihres Onkels William IV tritt Victoria am 20. Juni 1837 im Alter von 18 Jahren die Thronfolge an. Vom Volk wird sie mit Begeisterung aufgenommen. Einen Monat später zieht sie in den Buckingham Palace, um sich aus der alles dominierenden Anwesenheit ihrer Mutter und insbesondere John Conroys zu befreien. Am 28. Juni wird im Rahmen einer fünfstündigen Zeremonie in Westminster Abbey die feierliche Krönung vollzogen.

Hilfe und Unterstützung findet Victoria in ihrer neuen Umgebung bei Premierminister Lord Melbourne, mit dem sie die Regentschaft zunächst gemeinsam führt. Melbourne gewinnt schnell das Vertrauen der jungen Königin, indem er sich niemals anmerken lässt, wenn ihn ihre Naivität oder Unwissenheit überraschen. Er wird zu ihrem Berater in politischen, privaten und sogar in modischen Dingen. Von ihm lernt Victoria, die wichtigsten Politiker ihres Landes besser einzuschätzen und deren persönliche Stärken und Schwächen herauszufinden.

Als seine Partei die Mehrheit im Unterhaus verliert, stellt Lord Melbourne im Mai 1839 sein Amt als Premierminister zur Verfügung und hofft auf Neuwahlen. Der neue Amtsinhaber Sir Robert Peel fordert von der Königin, einige Damen aus seinen Kreisen in ihren Hofstaat aufzunehmen, was diese kategorisch als Privatangelegenheit ablehnt. Peel gibt daraufhin den Regierungsauftrag zurück und Lord Melbourne bleibt weiterhin Premierminister. Dieser Zwischenfall kostet Victoria in der Öffentlichkeit viel Ansehen und zahlreiche Sympathien.

Am 10. Februar 1840 heiratet Victoria ihren Cousin mütterlicherseits, Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, mit dem sie im Laufe ihrer Ehe neun Kinder bekommt. Obwohl die Verbindung arrangiert ist, sind die beiden schon vor der Trauung ineinander verliebt. In den folgenden Jahren unterstützt Albert seine Gattin zunehmend bei ihren Aufgaben als Monarchin. Auch sein Einfluss auf den königlichen Haushalt sowie die Finanzen macht sich positiv bemerkbar. Als das Ende der Regierungszeit unter Melbourne im Jahr 1841 gekommen und Peel zum neuen Premierminister ernannt ist, verhindert Albert durch sein geschicktes Eingreifen eine erneute „Hofdamenaffäre“. Melbourne selbst rät Victoria bei seinem Abschied, sich in politischen Angelegenheiten von ihrem Mann beraten zu lassen.

© Kinowelt

Im Jahr 1851 eröffnet das Paar die erste Weltausstellung in London, die den wirtschaftlichen Wohlstand und die industriellen Fortschritte im viktorianischen Großbritannien deutlich macht. 1857 veranlasst Königin Victoria ein indischer Aufstand, der sich gegen die britische Vorherrschaft der “East Indian Company” richtet, Besitzansprüche auf Indien zu erheben.

Im Dezember 1861 verstirbt Albert überraschend an einer Krankheit, die als Typhus oder Krebsleiden diagnostiziert wird. Von diesem Moment an zieht sich Victoria aus der Öffentlichkeit zurück und eine unablässige Trauerzeit beginnt. Bis an ihr Lebensende trägt sie Witwentracht und es heißt, sie habe bis zu ihrem Tode täglich die Sachen ihres Mannes bereit gelegt. Von offiziellen Anlässen hält sie sich fast immer fern. Zur jährlichen Parlamentseröffnung erscheint sie in 40 Witwenjahren nur sieben Mal persönlich. Durch ihre ständige Abwesenheit wird sie beim Volk immer unpopulärer und gerät häufig in die Kritik. Wann immer sie in der Regierung ihren Willen durchsetzen will, droht sie mit Abdankung und schafft es so, ihre politischen Ziele zu erreichen.

1875 ersteht der konservative Premierminister Benjamin Disraeli mit Unterstützung des Bankhauses der Rothschilds die Aktienmehrheit des Suezkanals, wodurch die Wasserstraße unter britische Kontrolle gerät. Mit seiner Hilfe lässt sich Königin Victoria am 1. Mai 1876 zur „Kaiserin von Indien“ erheben. 1887 begeht sie bereits ihr goldenes Thronjubiläum. Zehn Jahre später steigern sich die Feierlichkeiten zum diamantenen Thronjubiläum zu einer einzigartigen Veranstaltung, die der Verherrlichung ihrer Regentschaft dient und gleichzeitig den britischen Erfolg in der Unterdrückung des Sudanaufstandes feiert. 1899 findet ein Aufstand der Buren in Südafrika statt, für dessen Niederschlagung sich Victoria persönlich einsetzt. Im August 1890 unterzeichnet sie die Commonwealthvereinbarung mit Australien.

Am 22. Januar 1901 stirbt Königin Victoria in den Armen ihres Enkels William II in Osborne auf der Isle of Wight. Ihr ältester Sohn tritt als Edward VII die Thronfolge an. ■

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