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Der Auftragslover - Interview mit Romain Duris
Donnerstag, 6.1.2011 | Autor: mz | Quelle: Universum Film

Romain Duris, Jahrgang 1974, drehte bislang mehr als 30 Spielfilme. Er stammt aus einer Künstlerfamilie und ist als Schauspieler Autodidakt. Von einem Castingdirektor in Paris auf der Straße entdeckt, war Duris erstmals in Cédric Klapischs Abschlussklasse: Wilde Jugend – 1975 auf der Kinoleinwand zu sehen.

Für Klapisch stand er danach noch weitere fünf Mal vor der Kamera. Im Laufe seiner Karriere wurde Duris drei Mal für einen César nominiert, zuletzt 2006 für Der wilde Schlag meines Herzens.

Er arbeitete mit so namhaften Kollegen wie Isabelle Adjani, Juliette Binoche, Jean-Paul Belmondo und Audrey Tautou zusammen und drehte 2008 an der Seite von John Malkovich mit Ein Engel im Winter seinen ersten englischsprachigen Film. Demnächst wird Romain Duris zum ersten Mal Theater spielen.

Wie fiel Ihre erste Reaktion nach der Lektüre des Drehbuchs aus?

Ich bekam es mit der Angst zu tun! [lacht] Nein, im Ernst: Ich fand die Grundidee des Films sehr anziehend, und auch die Figur des Alex. Ich hatte jedoch noch nie eine romantische Komödie gedreht, und deshalb fehlten mir Bezugspunkte. Mir war aber sofort klar, dass es bei diesem Film ganz entscheidend auf das Stilempfinden des Regisseurs ankommen würde, weil die Ästhetik in diesem Genre eine wichtige Rolle spielt.

Deshalb wollte ich Pascal Chaumeil so schnell wie möglich kennen lernen. Im Laufe unserer Gespräche habe ich ihn als jemanden erlebt, der auf andere eingeht, offen ist und bereit zu diskutieren. Der keinen fehlgeleiteten Stolz hat, obwohl er genau weiß, was er will.

Welche Vorschläge haben Sie ihm bei Ihren Gesprächen unterbreitet?

Ich wollte die romantischen Aspekte des Films betonen. Die Beziehung zwischen der Figur, die ich spiele, und Vanessas Juliette sollte so gefühlvoll wie möglich ausfallen. So wie in den britischen Komödien, die wir alle lieben. Zum Beispiel Notting Hill – da wünscht sich jeder, dass sich die Helden endlich küssen, man weiß genau, dass es geschehen wird, und trotzdem ist man total berührt, wenn es dann passiert. Pascal und mir ging es stets um die Wahrhaftigkeit, nicht um eine Anhäufung von Gags.

Wie arbeitete Pascal Chaumeil mit Ihnen?

Ich würde sagen, es war eine echte Zusammenarbeit! Wir waren uns sofort einig, dass Alex sich in seiner Haut wohl fühlen sollte. Wenn es also Momente am Set gab, in denen ich aus irgendeinem Grund anfing zu zweifeln und von der Linie abkam, bemerkte Pascal das sofort und machte mich darauf aufmerksam.

Seine Wachsamkeit war ein großer Trumpf, sie half, den Film auf Kurs zu halten und Alex diese Unbekümmertheit zu bewahren. Obwohl das Drehbuch sehr präzise war, ließ Pascal uns Schauspielern so ziemlich alle Freiheiten, was unsere Darstellung anging.

Außerdem hat er den Schnitt bereits am Set im Kopf, und auch das ist enorm wichtig. Jede Szene sollte einen echten Einstieg und eine Pointe haben, damit der Handlungsfluss im besten Sinne rhythmisch und effizient bleibt. Wir haben praktisch kein überflüssiges Material gedreht. Pascal beherrscht die Kunst des Weglassens perfekt!

Fiel es Ihnen leicht, in die Haut von Alex zu schlüpfen?

In den vergangenen Jahren habe ich ziemlich düstere, tiefschürfende Filme wie Der wilde Schlag meines Herzens, Persécution und So ist Paris gedreht. Ich wollte sehen, wie viel ich von mir selbst in diese Rollen einbringen kann, und habe viel darüber nachgedacht.

Witzigerweise bin ich diesmal genauso vorgegangen, und das bei einer romantischen Komödie! Ich wollte auf keinen Fall, dass Alex wie ein 007-Aufreißer wirkt, der großspurig und mit einem Lächeln auf den Lippen sofort jede herumkriegt. Ich musste ihn so darstellen, dass er etwas Anrührendes hat und der Zuschauer begreift, dass sein Liebesleben eine einzige Katastrophe ist.

© Abaca

Ich wollte auch, dass man versteht, dass er diesen Job als professioneller Auftragslover nur der Kohle wegen macht. Jedenfalls war das mein Plan, um Alex zu werden. Ohne diese Überlegungen im Vorfeld hätte ich mich am Set nie dermaßen frei, leicht und spontan gefühlt. Es war einfach toll, vor Pascals Kamera zu stehen.

Ich ließ mich von meinen Instinkten leiten. Was sich als richtig erwies, weil wir sehr schnell drehten und Aufnahmen eher selten wiederholten. Das einzige, woran ich während des Drehs wirklich hart gearbeitet habe, war die Tanzszene mit Vanessa zur Musik von Dirty Dancing. Zum Kennenlernen war das ideal!

Wie verlief die Zusammenarbeit mit ihr?

Ich war Vanessa nie zuvor begegnet, hatte aber große Lust mir ihr zu arbeiten, weil ich sie als Schauspielerin toll finde. Wie sie ihre Figur angelegt hat, gefiel mir sehr: anfangs kühl und abweisend, um dann ganz allmählich aufzutauen. Ihre Darstellung ist extrem präzise, aber überrascht hat mich das nicht, denn ich sah ja, wie sie arbeitete.

Schön ist auch, wie sie ihren Partnern Raum lässt: Vom ersten bis zum letzten Drehtag hörten wir uns beim Spielen aufmerksam zu und reagierten spontan auf das, was einem der andere darbot. Solche Schauspielerinnen gibt es nicht viele, aber sie gehört dazu!

Bemerkenswert ist auch die Vertrautheit zwischen Ihnen und Ihren beiden Komplizen, Julie Ferrier und François Damiens. Wie kam die zustande?

Das war ganz einfach! [lacht] Man muss mit diesen beiden Typen nur fünf Tage lang nach Marokko reisen und davon allein zwei Mal acht Stunden täglich mit dem Auto durch die Wüste brettern, und schon versteht man sich blendend. Na ja, jedenfalls, wenn bereits beim Casting alles richtig gemacht wurde.

Ein Beweis für die Intelligenz und Stärke eines Regisseurs ist es ja, wenn er es schafft, die unterschiedlichsten Persönlichkeiten unter einen Hut zu bringen. In dieser Hinsicht war unsere Begegnung ein Volltreffer! Andererseits waren wir nicht im Urlaub.

Am Set arbeiteten alle sehr konzentriert – schließlich fingen die Dreharbeiten gerade erst an. Wir hörten Pascal aufmerksam zu, machten uns mit seinen Arbeitsmethoden vertraut und erkannten, dass wir auf Anhieb perfekt sein mussten, weil er uns nicht viele Aufnahmen gönnen würde. Dass wir drei uns so gut verstanden, sparte eine Menge Zeit. Uns war sofort klar, dass wir gern herumblödeln.

Diese Vertrautheit lässt die Szene, in der Sie mit François Damiens die Tanzschritte aus Dirty Dancing üben, besonders witzig wirken. Wie haben Sie diesen Drehtag in Erinnerung?

Wir haben in dieser Szene ein bisschen improvisiert. Sobald man François aus der Fassung bringt, er seinen Text vergisst und herumzustottern beginnt, spielt er nachgerade genial. Trotzdem hatte ich mit dieser Szene so meine Probleme – weil ich ständig lachen musste. Irgendwann konnte ich François einfach nicht mehr in die Augen sehen. Pascal hat beim Schnitt Großartiges geleistet, denn es ist ihm gelungen, den ganz speziellen Humor dieser Szene herauszuarbeiten. Das gilt übrigens für den ganzen Film: Witz war ihm stets wichtiger als Worte. ■

Interview mit Pascal Chaumeil Interview mit Laurent Zeitoun