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Chloe - Interview mit Julianne Moore
Dienstag, 20.4.2010 | Autor: mz

Julie Anne Moore kam 1960 in North Carolina zur Welt. Ihr Schauspieltalent führt sie selbst auf ihre bewegte Kindheit zurück: Als Tochter eines Militärrichters musste sie häufig umziehen und sich immer wieder an eine neue Umgebung anpassen. Moore gilt als eine der wandlungsfähigsten Hollywoodschauspielerinnen, die mühelos den Spagat zwischen Autorenfilm und Blockbuster, Arthousedrama und Actionthriller vollzieht.

Erstes Aufsehen erregte sie 1993 in Robert Altmans Ensemblereigen Short Cuts. Bislang war Moore vier Mal für den Oscar® nominiert: 1998 als mütterlicher Pornostar in Boogie Nights, 2000 für Das Ende einer Affäre und 2003 gleich zweifach: als beste Hauptdarstellerin in Dem Himmel so fern sowie als Nebendarstellerin in The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Im selben Jahr wurde sie bei der Berlinale gemeinsam mit ihren The-Hours-Partnerinnen Nicole Kidman und Meryl Streep mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Für das Melodram Dem Himmel so fern wurde sie mit Kritikerpreisen überschüttet und gewann 2002 bei den Filmfestspielen in Venedig die Copa volpi.

Für ihren Lebensgefährten, Filmemacher Bart Freundlich, stand sie bislang drei Mal vor der Kamera, zuletzt 2005 in Liebe ist Nervensache. Das Paar hat zwei Kinder und lebt in New York. Ebenfalls derzeit im Kino ist sie in A Single Man, dem hochgelobten Regiedebüt von Modedesigner Tom Ford, und demnächst in Rebecca Millers Romanverfilmung Pippa Lee zu sehen.

Wie sind Sie auf das Projekt gestoßen?

Durch den Regisseur Atom Egoyan selbst. Ich habe seine Karriere aufmerksam verfolgt und wollte schon immer mit ihm arbeiten, ich war also begeistert. Das Drehbuch hat viele Ecken und Kanten. Ich habe ausführlich mit Atom darüber gesprochen, denn es ist wichtig, diese Personen, ihr Handeln und ihre Absichten konkret und präzise zu beschreiben.
Atom weiß genau, wie Menschen ticken, so dass ich mich bei ihm in guten Händen wusste. Seine Arbeit ist so packend, fest verankert in Emotionen und Stimmungen. Man kann das Verhalten der Charaktere nachvollziehen, und dennoch sind seine Filme immer ausgesprochen provokativ.

Würden Sie Chloe einem bestimmten Genre zuordnen?

Es ist ein Drama mit Thrilleraspekten, aber ich glaube nicht, dass Chloe ein Genrefilm ist. In meinen Augen ist es vor allem eine Verhaltensstudie. Es ist eine solche Freude, in einem Film mitzuwirken, in dem Menschen interagieren, der zeigt, welch heftige Reaktionen schon simple Kleinigkeiten auslösen können. Das sind die Dinge des Lebens, wie wir miteinander reden und wie wir miteinander umgehen.

Wie haben Sie sich Catherine vorgestellt, während Sie das Skript lasen?

Sie hat mich berührt. Catherine ist in ihrem Leben an einem Punkt, an dem sie sich hilflos fühlt. Sie dachte, die Beziehung zu ihrem Mann und auch zu ihrem Sohn seien klar. Auf einmal versteht sie die Welt nicht mehr und fühlt sich, als hätte sie keinerlei Einfluss. Die Menschen, die sie liebte, und von denen sie glaubte, dass sie sie versteht, sind auf einmal weit weg. Das erscheint mir nicht allzu ungewöhnlich. Ich glaube, darin findet sich jeder wieder.

Was will Catherine erreichen, als sie Chloe engagiert?

Sie will ihren Mann verstehen, möchte begreifen, was er will. Sie glaubt ja, dass er sich eine jüngere Frau wünscht. Also sagt sie zu diesem jungen Mädchen: „Okay, erzähl mir, was da abläuft, was er zu dir sagt und wie sich das anfühlt.“ Durch Chloe ist Catherine mit ihrem Mann verbunden.
Die Intimität, die zwischen ihr und Chloe entsteht, sollte Catherine ihrem Mann näher bringen, aber dann gerät alles durcheinander. Allein schon in einem Film mitzuspielen, in dem das Wesen von Nähe und Intimität beleuchtet wird und wie gefährlich sie werden kann, das ist wirklich fesselnd.

© Kinowelt

Versucht Catherine, zu sich selbst zurück zu finden?

Wir definieren uns durch die Menschen, mit denen wir uns umgeben, durch unsere Beziehungen. Vielleicht hat Catherine sich also tatsächlich verloren. Wenn man Grenzen überschreitet, ist es nicht einfach, das zu akzeptieren, was man auf der anderen Seite vorfindet.
Sie erkennt, dass sie sich in ihrer Welt sicherer, geborgener gefühlt hat. Gefühle können gefährlich sein. Catherine treibt es, so weit sie kann, und muss dabei lernen, dass man besser nicht mit Gefühlen experimentieren sollte.

Wie war es, mit Liam Neeson ein „sicheres“ und mit Amanda Seyfried ein „gefährliches“ Paar zu erschaffen?

Das war wirklich interessant. Beide sind wunderbare Schauspieler und reizende Menschen, tolle Kollegen, die zu allem bereit sind. Wir alle haben uns dieser Herausforderung gestellt und waren nicht zaghaft. In Chloe geht es um echte Intimität, um den Versuch, dass jemand dich so sieht und kennt, wie du bist. Ich habe mich bei der Arbeit mit ihnen sehr aufgehoben gefühlt. Ich hatte großes Glück, zwei so wunderbare Partner zu haben.

Waren die intimen erotischen Szenen am schwierigsten zu drehen?

Am schwierigsten war wohl, den Film fest in der Realität zu verankern. Was diese Frau tut, ist schon eine ziemliche Grenzüberschreitung. Man muss also sicherstellen, dass die Zuschauer sich das gleiche zutrauen würden. Die Herausforderung ist, das alles im Bereich des absolut Realistischen und Möglichen zu halten. ■

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