Donnerstag, 6.8.2009 | Autor: mz | Quelle: Constantin Film
Sein Debütroman „Maria, ihm schmeckt's nicht!“ erschien im Oktober 2003 und hielt sich fünf Jahre in der Bestsellerliste. Bislang wurden 1,7 Millionen Exemplare verkauft. 2005 folgte „Antonio im Wunderland“, 2006 das Reisetagebuch „In meinem kleinen Land“ und 2008 der Gesellschaftsroman „Drachensaat“. Seit April 2007 schreibt Jan Weiler im Magazin Stern eine wöchentliche Kolumne unter dem Titel „Mein Leben als Mensch“. Sie wird im Januar 2010 in Buchform erscheinen. Jan Weiler ist ständig mit seinem Bühnenprogramm unterwegs. Es besteht aus seinen Kolumnen und aus Highlights seiner Romane. Zudem schreibt er Hörspiele und ist als Dozent tätig. Derzeit lebt er mit seiner italienischen Frau und zwei Kindern südlich von München.
Ist es das höchste Ziel eines Schriftstellers, dass sein Buch verfilmt wird?
Also, meins war es nicht. Es war ja nicht mal mein Ziel, ein Buch zu schreiben. Eine Frau vom Ullstein Verlag hat mich dazu überredet. Irgendwann habe ich gesagt: »Okay, ich schreib’s Ihnen. Danach will ich aber wieder meine Ruhe haben.«
Mit der Ruhe war es endgültig vorbei, als „Maria, ihm schmeckt's nicht!“ die Bestsellerlisten stürmte und 1,7 Millionen Mal verkauft wurde.
Ich hätte nie damit gerechnet. Ich weiß noch, wie ich bei der Manuskriptabgabe zur Lektorin sagte: »Wäre ja schon klasse, wenn das 2000 Leute kaufen.« Sie sagte: »Wenn das 2000 Leute kaufen, werde ich gefeuert.« Natürlich habe ich mir später Gedanken gemacht, warum das Buch so gut bei den Lesern ankam. Ein Grund könnte sein, dass nur wenige Bücher über das Leben der Gastarbeiter geschrieben worden sind. Dann kommt noch die große Liebe der Deutschen zu Italien hinzu. Und das Buch ist lustig. Die Leute lesen gern lustige Sachen.
Viele Produktionen wollten die Filmrechte an „Maria, ihm schmeckt's nicht!“ haben. Wie kam der Kontakt zur Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion GmbH zustande?
Jakob Claussen und ich haben einen gemeinsamen Freund. Mit dem saß ich zusammen und habe über das Thema Filmrechte geredet. Er sagte, er wolle mal die Leute fragen, die Jenseits der Stille und Nach Fünf im Urwald gemacht haben. Die seien gut und vertrauenswürdig. Dann habe ich Jakob zum Essen getroffen. Er hat schon sehr früh klar gemacht, dass nichts an dem Stoff geändert würde, ohne vorher mit mir abgesprochen zu werden. Solche Zugeständnisse sind selten in der Filmbranche.
Vor welchen Änderungen hatten Sie Angst?
Es geht in diesem Buch um meine Familie, also um echte Menschen mit Gefühlen. Und wenn ein Filmemacher damit nicht ordentlich umgeht, kann ich mich nie wieder bei meiner Familie sehen lassen.
Haben Sie das Filmprojekt mit Ihrer Familie besprochen?
Mit meiner Frau habe ich viel darüber gesprochen, sie hätte auch „nein“ sagen können. So wie sie damals auch bei den Büchern hätte „nein“ sagen können. Bei Jakob Claussen hatte ich jedoch ein gutes Gefühl. Vor allem, nachdem ich bizarre Gespräche mit anderen Produktionsfirmen geführt hatte.
Inwieweit waren die bizarr?
Einmal kam eine Frau mit dem Flugzeug aus Berlin, um mich in München zum Mittagessen einzuladen. Dann hat sie erstmal drei Handys, sieben Schlüsselbunde und anderen Krempel auf den Tisch gelegt. Wie so Waffen. Sie hat die Hälfte der Zeit telefoniert und mir das Gefühl gegeben, ich wäre ein Hottentotte, dem man Glasperlen umhängt. Auf meine Frage, was sie mit dem Stoff vorhätte, sagte sie ganz freimütig: »Wir kaufen das jetzt erst mal vom Markt, und dann sehen wir weiter.« Vielleicht könne man ja auch eine Fernsehserie daraus machen. Und in Italien müsse die Geschichte auch nicht unbedingt spielen... Auf eine absurde Art fand ich derartige Gespräche ganz lustig. Den Vertrag habe ich aber bei Jakob Claussen unterschrieben. Das war im Mai oder Juni 2004.
Welche Änderungen waren erforderlich, um aus dem Buch ein Drehbuch zu machen?
Viele. Das Buch besitzt keine klare Dramaturgie. Streng genommen besitzt es überhaupt keine Dramaturgie. Da klingelt das Telefon, dann fahren alle nach Italien. Wir mussten für den Film eine eigene Handlung entwickeln, an der entlang wir Antonios Geschichte erzählen konnten. Das war ein zeitraubender Prozess.
Wer ist Ihnen ähnlicher - der Jan im Film oder der Erzähler im Buch?
Die Person im Film ist mir näher als die im Buch. Das hat einen ganz einfachen Grund: Der Erzähler im Buch hat keinen Namen. Das habe ich damals mit Absicht gemacht, weil ich nicht wollte, dass das Buch zu nah an mich heranrückt. Für das Drehbuch brauchten wir aber einen Namen. Da haben wir halt meinen als Platzhalter genommen. Der sollte später gegen einen anderen ausgetauscht werden. Aber in den vielen Jahren der Drehbucharbeit hat sich der Name Jan verselbständigt. Am Ende haben wir ihn beibehalten.
Christian Ulmen spielt Jan. War er Ihr Wunschkandidat?
Absolut: ja. Er ist fantastisch. Sein Name fiel schon im allerersten Gespräch, das ich im Februar 2004 mit Jakob Claussen führte. Und Christian erwies sich tatsächlich als der Richtige. Dabei wusste ich anfangs gar nicht, dass er in einer ähnlichen Beziehung lebt wie ich. Er ist ebenfalls mit einer Halbitalienerin verheiratet. Er weiß also genau, wie so eine italienische Familie funktioniert. Wenn ich ihn im Film mit hängenden Schultern und fragendem Blick zwischen all den Italienern sehe, erkenne ich mich darin gut wieder.
Bei den Dreharbeiten in Italien haben Sie einen Ausstattungsfehler entdeckt: Jans Sandalen!
So sehr ich die Ausstattung des Films und alle daran beteiligten Personen schätze, so nachdrücklich muss ich allerdings betonen, dass ich ein anderer Kleidungstyp bin als der Jan im Film. Ich habe schon in meiner Kindheit keine Sandalen getragen. In diesem Punkt ist die Ausstattung ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Aber der Jan im Film ist ja auch keine hundertprozentige Kopie von mir. Der ist ein noch größeres Weichei als ich.
Wie sehr ähnelt Mina Tander in der Rolle als Sara Ihrer Frau?
Beide sind natürlich entzückend, aber optisch ist Mina ein vollkommen anderer Typ als meine Frau. Vom Wesen her sind die beiden sich aber wieder sehr ähnlich. Mina hat durch ihre Familie selbst einen so genannten Migrationshintergrund. Deshalb konnte sie sich noch besser in die Rolle hineinfinden und ist meiner Frau in manchen Momenten überraschend ähnlich.
Wie gefällt Ihnen Lino Banfi in der Rolle des Schwiegervaters Antonio?
Mein lieber Schwiegervater hat sich in dieser Figur etwas verselbständigt. Aber in vielen Momenten ist er dem Original sehr ähnlich. Es gibt zum Beispiel diese Szene, in der Jan seinen Antrittsbesuch bei Antonio absolviert. Als ich mit meiner Frau in der Testvorführung saß, hatte sie in den ersten Minuten ständig die Hände vorm Gesicht und sagte immer wieder: »Das war ganz genau so!« Lino hat den echten Antonio verdammt gut getroffen. Mein Schwiegervater wird den Film bestimmt mögen.
Im Film ist auch der junge Antonio zu sehen, wie er in den 60er Jahren als Gastarbeiter in Deutschland zurechtkommen muss. Wie wichtig sind diese Rückblenden?
Sehr wichtig. Im Film geht es um die Überwindung von vielen verschiedenen Ängsten. Das sollte nicht nur Jans relativ profane Angst in Italien sein. Die ließe sich im Laufe weniger Jahre überwinden. Ich wollte, dass der Film die viel tiefer gehende Fremdenangst in Deutschland thematisiert, die Furcht der Deutschen vor dem Gastarbeiter, vor dem so genannten „Spaghettifresser“. So ist meine Frau ja noch in den 70er Jahren in der Schule genannt worden. Der Film soll zeigen, wie man mit ein bisschen Bereitschaft und Lebensmut solche Ängste überwinden kann. Ich spreche nicht von Zusammenwachsen. Das finde ich doof. Aber vom Überwinden.
Welche Angst hat Jan?
Er fühlt sich dieser fremden Familie ausgesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass Sara, die zu Hause eine verhältnismäßig normale Deutsche ist, zu einer Italienerin mutiert, sobald sie bei ihrer Familie ist. Damit verliert Jan eine wichtige Bezugsperson, was natürlich auch wieder sehr komisch ist.
Hatten Sie vergleichbare Ängste, als Sie die Familie in Italien besucht haben?
Die habe ich bis heute. Das hängt damit zusammen, dass ich kein Globetrottertyp bin. Es gibt ja Leute, die kann man mitten in den Anden aussetzen. Dann freunden die sich sofort mit allen an und finden auch nach Hause. Wenn man mich in Castrop-Rauxel aussetzt, ist es bei mir schon vorbei. In einem fremden Land ist das noch schlimmer. Und in Italien ganz besonders. Ich habe immer latent Angst.
Siegt nicht irgendwann die Macht der Gewohnheit? Sind Sie nach so vielen Jahren voller Italienbesuche nicht doch schon zum halben Italiener geworden?
Nein. Ich versuche das auch gar nicht. Ich hätte ja schon längst die Sprache lernen können. Aber wenn ich all meine Unzulänglichkeiten nicht hätte, gäbe es auch nichts, worüber ich schreiben könnte. Ich will kein Italiener werden und auch kein Italienfachmann. Bei meinen Lesungen schwärmen manchmal Leute von irgendwelchen wundervollen Trödelmärkten in italienischen Städten. Die denken immer, ich wäre ein Toscana-fraktionsmäßiger Italienprofi. Ich bin auch mal zu einer Fernsehsendung eingeladen worden, in der ich mit Alfons Schuhbeck Pastarezepte von Zuschauern nachkochen und bewerten sollte. Das habe ich abgesagt, weil das einfach nicht meine Lebenswelt ist. Ich habe keine Lust, für immer und ewig als Berufsitaliener durch die Medien zu ziehen.
Der Film wird auch in Italien im Kino laufen. Vielleicht erscheint der Roman sogar auf Italienisch. Haben Sie Angst davor, dass plötzlich alle Italiener sehen, lesen und verstehen, was Sie über sie schreiben?
Ein bisschen schon. Alles würde denen nämlich bestimmt nicht gut gefallen. Aber bis jetzt hat kein italienischer Verlag Interesse an dem Buch bekundet. Italiener lesen sowieso nicht viel. Und was ein Deutscher über eine süditalienische Familie schreibt, ist denen vollkommen egal. Ich finde diese Haltung super.
Wovon handeln Ihre nächsten Bücher?
Parallel zum Filmstart gibt es das Kochbuch „Vinoteca Marcipane“ mit Geschichten und Rezepten aus dem kleinen Restaurant, das ich mit zwei Freunden betreibe. Im Januar 2010 erscheint das erste Buch mit den Kolumnen, die ich im Stern schreibe. Das heißt „Mein Leben als Mensch“. Damit gehe ich nächstes Jahr auf Tournee. Einen neuen Roman gibt es erst 2011. Aber über den sage ich noch nichts. Da bin ich abergläubisch. ■

