Donnerstag, 6.8.2009 | Autor: mz | Quelle: Constantin Film
Seine katholische Familie hätte den 1936 in Andria bei Bari geborenen Lino Banfi, mit bürgerlichem Namen Pasquale Zagaria, gern auf eine Priesterschule geschickt, doch als begeisterter Sänger fühlte er sich schon früh zu den Festen der Umgebung hingezogen. Nach dem Abitur zog es ihn 1954 nach Mailand, Turin und Genua. An Arturo Vetranis Theaterkompanie begann seine Karriere als Schauspieler und Komiker unter dem Künstlernamen Lino Zaga. Sein Kollege Antonio de Curtis, genannt Totó, überzeugte ihn, sich endgültig in Lino Banfi umzubenennen. Als besonderes Markenzeichen gilt seit jeher sein „canosin“-Akzent, mit dem er treffend die Eigenarten seiner Landsleute persifliert. Er spielte über 30 Jahre auf der Bühne des „Avanspettacolo“ und glänzte durch viele Shows im legendären römischen Varieté „Puff“, in dem sich auch Starregisseur Federico Fellini Anregungen holte.
Banfi ist einer der beliebtesten Komiker und Schauspieler Italiens. Er hat in mehr als 140 Filmen mitgewirkt und prägte die Theater-, Film- und Fernsehlandschaft seiner Heimat wie kaum ein anderer. In den 70er Jahren schuf er mit seinen Kollegen Lando Buzzanca, Renzo Montagnani, Mario Carotenuto, Gianfranco d´Angelo, Aldo Maccione und Alvaro Vitali das äußerst populäre Genre der leicht frivolen „Italo-Komödie“. Im Laufe seiner Karriere wurde er mit vielen nationalen und internationalen Preisen geehrt. Er ist unter anderem Träger des Ordens „Cavaliere di Gran Croce“, dem italienischen „Ritterschlag“. 2008 erhielt er auf dem „Roma Fiction Fest“ den Preis für sein Lebenswerk. Seit dem Jahr 2000 ist er UNICEF-Botschafter. Lino Banfi und seine Frau Lucia sind seit 1962 verheiratet. Ihre Tochter Rosanna und ihr Sohn Walter arbeiten ebenfalls als Schauspieler.
Wie wurden Sie zu Antonio Marcipane?
Die Regisseurin Neele Leana Vollmar besuchte mich zu Hause in Rom, um mich für den Film zu gewinnen. Sie erzählte mir die Geschichte und zeigte mir ein Buch, das in Deutschland sehr erfolgreich ist. Ich habe ein italienisches Buch erwartet, aber sie gab mir ein deutsches Buch. Um ehrlich zu sein: Als ich für den Film zusagte, dachte ich, er werde auf Italienisch gedreht. Aber Neele sagte mir sehr nonchalant: »Nein, Du wirst Deutsch sprechen.« Ich antwortete: »Wie? Ich kann kein Deutsch, ich habe Deutschland nie besucht, ich hatte noch nie deutsche Freunde!« Aber sie beruhigte mich: »Du wirst sehen, es wird schon klappen.«
Wie haben Sie das Sprachproblem gelöst?
Die Produktion stellte mir eine Sprachtrainerin zur Seite. Gemeinsam haben wir eine Sprache erfunden, die gar nicht existiert. Wir nannten sie Marcipane-Deutsch. Dafür haben wir die Wörter einfach aneinander gereiht. Wenn ich zum Beispiel sagen musste „Komm, lieber Junge“, stand dort „comliberiúng“, mit Akzent auf dem „u“. Das muss gut geklappt haben. Ich sah am Set viele glückliche Gesichter.
Welche deutschen Vokabeln haben Sie bis heute behalten?
Ich kann jetzt sehr gut auf Deutsch „Jawohl“ und „Bis Morgen“ sagen.
Was halten Sie von diesem Antonio Marcipane, den Sie im Film spielen?
Oberflächlich betrachtet, scheint er streng und argwöhnisch zu sein. Er denkt, er hat sich ein Leben lang aufgeopfert. So wie viele italienische Arbeiter. Antonio streitet sich mit allen. Er wär gern gebildeter. Deshalb streitet er mit allen Menschen, die gebildet sind, aber nicht so viel Lebenserfahrung haben wie er. Könnte man Bildung mit Lebenserfahrung vergleichen, wäre Antonios Leben mindestens drei Studienabschlüsse wert. So fordert Antonio auch Jans Eltern heraus: Schauen wir mal, ob seine gebildeten Eltern mit der italienischen Mentalität zurechtkommen!
Hat Antonio auch positive Seiten?
Aber ja! Er ist sehr menschlich. Er glaubt an die Tradition der Familie. Er schließt am Ende auch Jan in sein Herz, nachdem er ihn eingehend geprüft und für gut befunden hat. Irgendwie hat Antonio ja auch seinen Platz in beiden Kulturen gefunden. Trotzdem redet er schlecht über Italien, wenn er in Deutschland ist, und er redet schlecht über Deutschland, wenn er in Italien ist. Die deutsche Strenge mag er nicht, die italienische Unpünktlichkeit aber auch nicht.
Können Sie das nachvollziehen?
Irgendwie schon. Wenn man in Italien fragt „Wann sehen wir uns morgen?“, bekommt man die Antwort: „Im Laufe des Vormittags.“ Was bedeutet das? Der Vormittag beginnt um acht Uhr und endet um 13 Uhr. Ein typischer italienischer Satz lautet: „Wir sehen uns um acht oder neun Uhr, aber wenn ich bis zehn Uhr nicht da bin, melde Dich bitte um elf Uhr!“
Viele dieser kleinen italienischen Marotten finden sich im Film und in Jan Weilers Roman wieder. Haben Sie Jan Weiler bei den Dreharbeiten getroffen?
Er hat uns bei den Dreharbeiten in Apulien besucht. Ich hatte einen älteren Schriftsteller von 50 Jahren oder älter erwartet. Aber dann kam dieser junge Mann, der mein Sohn sein könnte. Er hat eine Szene beobachtet, die weder besonders emotional noch tragisch war. Eher komisch. Aber er war sehr gerührt. Warum? Er sagte: »Du spielst Antonio genau so, wie er sein muss.«
Wie war die Zusammenarbeit mit Christian Ulmen?
Er ist ein sehr netter, hilfsbereiter, junger Mann und ein sehr guter Schauspieler. Der Arme wusste im Vorfeld bestimmt nicht, wie verrückt ich bin. Dieser italienische Schauspieler, der kein Wort Deutsch spricht. Christian hat mir sehr geholfen. Manchmal hat er sich einen Zettel mit meinen deutschen Texten auf seine Brust geklebt, damit ich sie ablesen konnte. Hätte der Zettel an der Kamera geklebt, wäre das den Zuschauern durch meine Blickrichtung aufgefallen.
Wie gefällt Ihnen Ihre Filmtochter Mina Tander?
Zwischen Mina und mir hat sich ein richtiges Vater-Tochter-Verhältnis entwickelt. Wenn ich sie umarme, ist das so, als ob ich meine eigene Tochter in die Arme schließe. Mina spricht auch gut Italienisch.
In Maria, ihm schmeckt's nicht! stehen Sie zum ersten Mal gemeinsam mit Ihrem Landsmann Sergio Rubini vor der Kamera.
Wir kommen beide aus Apulien. Aber wir kannten uns nicht persönlich. Das dürfte daran liegen, dass unsere Karrieren sehr unterschiedlich verlaufen sind und unsere Namen für sehr unterschiedliche Filme stehen. Aber als wir uns auf dem Set trafen, haben wir uns auf Anhieb gut verstanden. Vielleicht machen wir noch weitere Filme zusammen. Sergio Rubini ist ein sehr guter Schauspieler und Regisseur.
Wie viel wussten Sie vor den Dreharbeiten über das Leben der italienischen Gastarbeiter in Deutschland?
Ich kannte es durch die Erzählungen einiger Menschen aus Apulien. Die waren als Gastarbeiter in Deutschland und erzählten von diesem schweren Leben. Sie mussten in kalten Städten von früh bis spät arbeiten. Sie sahen die Sonne nie. Daran muss man sich erst gewöhnen, wenn man aus dem Süden kommt. So, wie der Mund sich auch von Wein auf Bier umstellen muss. Wenn wir in Apulien einen sahen, der im Restaurant ein Bier statt Rotwein bestellte, sagten wir: »Er ist wie ein Deutscher geworden.« ■

