Das Magazin - Interviews & Berichte
Maria, ihm schmeckt's nicht! - Interview mit Christian Ulmen
Donnerstag, 6.8.2009 | Autor: mz | Quelle: Constantin Film

Christian Ulmen wurde 1975 in Neuwied am Rhein geboren und wuchs in Hamburg auf. Schon als Jugendlicher verfasste und produzierte er TV- und Radiobeiträge. 1996 und 1999 folgten die Shows MTV Hot und MTV Alarm sowie Berichte im Rahmen diverser Specials für den Musiksender MTV in London und Hamburg. In den Jahren 1999 und 2000 war er Redakteur und Moderator bei Radio Fritz. Von 2000 bis 2003 moderierte er seine eigene Show MTV Unter Ulmen, die er im MTV-Studio in der Ackerstraße in Berlin-Mitte auch selbst produzierte.

Unter der Regie von Leander Haußmann war er 2003 in Herr Lehmann in seiner ersten Kinorolle zu sehen. Für seine darstellerische Leistung gewann er den Bayerischen Filmpreis. Mit seiner ProSieben-Serie Mein neuer Freund wurde er 2005 für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. 2007 und 2008 spielte er die Titel gebende Rolle in der TV-Serie Dr. Psycho. 2009 ist er im Kino sowohl in der Literaturverfilmung Maria, ihm schmeckt's nicht! als auch in Simon Verhoevens Männerherzen zu sehen. Christian Ulmen ist erfolgreicher Geschäftsführer der Ulmen Television GmbH und Produzent des Web-TV Formates Ulmen.tv.

Warum hat Jan es so schwer mit seinem künftigen Schwiegervater Antonio?

Für einen Vater ist es wahrscheinlich immer hart, einen neuen Mann im Leben seiner Tochter zu wissen. Dieser Kaspertyp soll der neue Held meiner Tochter sein? Deutsche Väter sind da sicher auch nicht anders. Bei den Italienern macht das aber mehr Spaß beim Zugucken.

Was ist für Jan die größte Hürde?

Familie Marcipane pflegt Traditionen und hält dabei fest zusammen. Jan kommt als Deutscher plötzlich in diese klassische italienische Familie hinein und muss sofort all ihre Gepflogenheiten mitleben. Ob er will oder nicht. Er fühlt sich immer mehr seiner Entscheidungsfreiheit beraubt. Seine Freundin Sara ist mit den Ritualen ihrer Eltern, Großeltern, Nichten und Tanten aufgewachsen. Sie merkt deshalb am Anfang gar nicht, dass Jan durchaus Probleme damit hat.

Liegen Komödie und Tragödie in diesem Fall dicht beieinander?

Ja. Als neuer Schwiegersohn willst du natürlich geliebt werden. Vor allem von den Schwiegereltern. Jan hat aber zu Recht das Gefühl, die Marcipanes halten ihn für einen seltsamen, blassen, mageren Deutschen. Gegen dieses Bild scheint er nicht anzukommen. In seiner Frustration zieht er sich zurück, weshalb die Marcipanes wiederum das Gefühl haben, Jan würde sie nicht mögen oder ihre Gastfreundschaft zurückweisen. So schaukeln sie sich gegenseitig in ihren Befindlichkeiten hoch.

Der Film zeigt, wie Antonio 1965 als Gastarbeiter nach Deutschland kam und was er dort erlebte. Wie wichtig sind diese Rückblenden?

Die Rückblenden zeigen, warum Antonio heute genau so ist, wie er ist. Gemessen an den Problemen, die Antonio als junger Gastarbeiter in Deutschland hatte, sind Jans Sorgen in Italien doch eher luxuriös. Er wird freundlich empfangen, gefüttert und mit an den Strand genommen. Die übertrieben anmutende, fast schon freiheitsberaubende Gastfreundschaft der Familie Marcipane ist ja nicht abweisend gemeint. Im Gegenteil.

Lebt Antonio heute zwischen zwei Kulturen?

Ja. Wenn er in Deutschland ist, betet er Jan die ganze Zeit vor, wie toll alles in Italien ist. Wenn er in Italien ist, erklärt er den Italienern, wie phänomenal alles in Deutschland organisiert ist. Dieser Widerspruch lässt Jan erst recht verzweifeln.

Die Rolle des Antonio spielt der italienische Filmstar Lino Banfi. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

In Italien pflegt man einen viel intensiveren Starkult als in Deutschland. Sie heben ihre Stars regelrecht in den Himmel. Insbesondere Lino Banfi. Sie nennen ihn den Opa Italiens. Ich kenne keinen deutschen Schauspieler, bei dem die Leute spontan Volksfeste feiern, wenn er zufällig auf der Straße erscheint. Als wir in Italien gedreht haben, standen die Leute zum Teil auf den Fensterbänken und tanzten. Wirklich. Für mich war er einfach nur der Lino. Aber für Italiener ist er LINO BANFI!

Die italienischen Schauspieler sprechen im Film fast alle Italienisch. Beherrschen Sie die Sprache inzwischen auch perfekt?

Das Schöne ist: Jan spricht kein Italienisch. Und um mich richtig in die Rolle reinzufinden, habe ich vorher extra kein Italienisch gelernt. Im Gegenzug hat Lino Banfi auch kein Deutsch gelernt. Obwohl er im Film fließend Deutsch spricht. Wir haben ihm immer Zettel hingehalten, von denen er ablesen konnte.

Sie haben für diese Rolle zwölf Kilogramm abgenommen. Warum?

Das war der Wunsch von Produzent und Regisseurin. Ich war ihnen zu fett. Außerdem machen die Marcipanes dauernd Witze über den mageren Deutschen. Das hätte mit meiner vorigen Statur nicht wirklich funktioniert.

Gibt es Parallelen zwischen Ihnen und Jan?

Klar. Vermutlich erkennt sich jeder, der den Roman liest oder den Film sieht, in Jan wieder. Deswegen ist das Buch auch so erfolgreich. Man fühlt sich beim Urlaub im Ausland automatisch uncool. Man versteht nichts, man trägt hässliche Sandalen, man cremt sich mit Sonnenmilch ein. Die Italiener machen sowas nicht. Und sofort ist man der verklemmte deutsche Depp.

Was sind die markanten Unterschiede zwischen Deutschen und Italienern?

In Deutschland wachsen wir zum Beispiel mit dem hundertprozentigen Einhalten ganz klarer Regeln auf. Italiener haben viele dieser Regeln zwar auch, halten sich aber meistens nicht daran. Ob da an der Straße ein Schild mit „100“ steht oder nicht: Sie fahren 180, und das Kleinkind klettert unangeschnallt auf dem Beifahrersitz rum. Ein weiterer Unterschied ist mir an der Supermarktkasse aufgefallen. Bei uns ist man sehr darauf bedacht, Abstand zum Vordermann zu halten. In Italien steht man ganz dicht beieinander und kuschelt gern.

Worum beneiden Sie die Italiener?

Um ihren entspannten Umgang mit Unpünktlichkeit. Wenn ein Flug eine Stunde Verspätung hat, sitzt der Italiener ganz gelassen am Flughafen. Der Deutsche sitzt daneben und zittert, weil er seinen Termin verpassen könnte. Italiener haben weniger Stress. Das ist beneidenswert. ■

Interview mit Lino Banfi Interview mit Mina Tander