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Maria, ihm schmeckt's nicht! - Interview mit Neele Leana Vollmar
Donnerstag, 6.8.2009 | Autor: mz | Quelle: Constantin Film

Die 1978 in Bremen geborene Neele Leana Vollmar arbeitete nach ihrem Abitur 1998 als Regieassistentin bei mehreren Produktionen. Im Jahr 2000 begann sie ihr Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg, das sie 2005 abschloss. 2003 erhielt sie ein Caligari-Förderstipendium, nahm am Talent Campus der Berlinale und an der Masterclass „The Hollywood Perspective“ an der UCLA in Los Angeles teil. Während des Studiums inszenierte sie Kurzfilme, von denen Meine Eltern (2003) bei den Internationalen Hofer Filmtagen Premiere hatte. Der Film lief auf über 250 internationalen Filmfestivals und gewann mehr als 40 Preise. Ihr Spielfilmdebüt und Abschlussfilm an der Filmakademie Ludwigsburg, Urlaub vom Leben, eröffnete 2005 die 39. Internationalen Hofer Filmtage und kam 2006 in die Kinos. Im selben Jahr gründete sie mit der Produzentin Caroline Daube die Royal Pony Film GmbH & Co. KG mit Sitz in München, die 2007 ihren zweiten Kinospielfilm Friedliche Zeiten produzierte. Neele Leana Vollmar arbeitet außerdem als freie Werberegisseurin.

Ist Maria, ihm schmeckt's nicht! eine Komödie? Oder mehr?

Auf jeden Fall mehr. Es ist einerseits eine Komödie. Wir spielen mit den Klischees beider Nationen. Die unterschiedlichen Lebensarten von Italienern und Deutschen rufen geradezu nach einer komödiantischen Umsetzung. Auf der anderen Seite erzählen wir eine Geschichte über das Fremdsein. Antonio ist in den 60er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Diese Zeit ist geprägt durch Einsamkeit und den Wunsch, anerkannt zu werden. Das Gefühl, nicht akzeptiert zu werden, erlebt jetzt auch Jan. Er kommt in eine fremde Großfamilie, in ein fremdes Land und muss sich das Vertrauen erarbeiten. Jan Weilers Roman beginnt mit dem Satz „Ein Fremder steht vor der Tür“, der letzte Satz lautet „Ich bin glücklich“. Das ist eine schöne Brücke, finde ich.

Wieso haben Sie die Rolle des Jan mit Christian Ulmen besetzt?

Christian Ulmen war bereits in unseren Köpfen als das Drehbuch entwickelt wurde. Er hat einen einzigartigen Humor und schien uns von Anfang an für diese Rolle perfekt zu sein. Der Zuschauer muss sich mit ihm identifizieren können. Man reist mit ihm nach Italien. Jan ist eine Figur, die mit der Mentalität der Italiener nicht unbedingt zurechtkommt. Er braucht seine Ruhe, sucht nicht die körperliche Nähe von Fremden. Christian kaufe ich sofort ab, dass er durchdreht, wenn 20 Italiener auf ihn zustürmen.

Mina Tander ist für die Rolle als Sara fast zur Italienerin geworden.

Mina hatte vorher schon einen starken Bezug zu Italien. Auch bei ihr war es Liebe auf den ersten Blick. Gleich bei unserem ersten Casting haben Mina und Christian zusammen gespielt. Da wusste ich sofort: Wir haben sie gefunden! Das war ein sehr schönes Gefühl.

Haben Sie lange nach dem richtigen Antonio suchen müssen?

Dadurch, dass der Roman sehr erfolgreich ist, haben viele Zuschauer eine eigene Vorstellung von Antonio. Das war der Grund, unseren Antonio in Italien zu suchen. Wir wollten für die deutschen Leser ein neues Gesicht finden. Als ich dann Lino Banfi zum ersten Mal in Rom traf, war ich begeistert. Lino ist in Italien eine Ikone. Jeden Tag standen bis zu 200 Menschen am Set und schrien laut los, wenn sie ihn auch nur in weiter Ferne erahnen konnten. Doch trotz seines Starkults war er extrem offen. Wir hatten eine tolle Zusammenarbeit.

Im Gegensatz zu Antonio spricht Lino Banfi kein Deutsch. Wie haben Sie das Problem gelöst?

Während der Castingzeit in Rom habe ich die Theaterregisseurin Imogen Kusch getroffen, die in Italien geboren wurde und dort aufgewachsen ist. Sie hat deutsche Eltern und spricht fließend Deutsch und Italienisch. Imogen hat zwei Monate vor Drehstart damit begonnen, jeden Tag mit Lino Deutsch zu lernen. Sie haben eine spezielle Lautschrift entwickelt.

Sie selbst haben für den Film Italienisch lernen müssen.

Von Anfang an war klar, dass wir mit italienischen Schauspielern in Italien drehen werden. Und natürlich auch in italienischer Sprache, die nicht synchronisiert wird. Der Zuschauer soll sich genau so fremd fühlen wie Jan. So war für mich klar, dass ich diese Sprache sprechen möchte. Um das Gefühl der beiden unterschiedlichen Kulturen noch zu verstärken, wurde Italienisch zur Setsprache, sobald italienische Schauspieler am Set waren.

Sie haben vier Wochen in Gravina gedreht. Sind die Deutschen aus dem Team irgendwann zu Italienern geworden?

Die Wochen in Gravina waren eine sehr spannende und schöne Zeit. Die Geschichte, die wir in unserem Film erzählen, haben nun auch alle Teammitglieder hautnah erlebt. Wir haben viel von den Italienern übernommen, aber die Italiener haben auch viel von uns übernommen. Einige deutsche Teammitglieder haben ein wenig Italienisch gelernt, und auch die Italiener haben ein wenig Deutsch adaptiert. Dann hörte man überall „Aktung!“ oder „Wir könne’ wi’der!“

Waren die Gegensätze, auf denen das Buch basiert, auch am Set zu spüren?

Klar. Meine Zeit in Gravina begann schon zwei Monate vor Drehstart. Ich habe jeden Tag Dinge erlebt, die auch Jan beim ersten Urlaub in Italien erlebt hat. Über die Erfahrungen, die man bei einer deutsch-italienischen Produktion sammelt, könnte man Bücher schreiben und weitere Filme drehen.

In welcher Hinsicht werden sich Deutsche und Italiener immer unterscheiden?

Beim Essen. Italiener essen wahnsinnig viel, auch wenn sie mir jetzt sofort widersprechen würden. Aber es stimmt! Ursula wundert sich an einer Stelle im Film, dass dieses Volk nicht platzt. Das wundert mich ebenfalls.

Ihr Film wird als Maria, non gli piace! auch in den italienischen Kinos laufen. Was könnte die Italiener an dieser Komödie reizen?

Das ist zum einen ganz klar Lino Banfi. Er ist ein Superstar in Italien. Genauso wie Sergio Rubini. Die Menschen verehren die beiden und möchten ihre Filme sehen. Das ist übrigens der erste Film, in dem sie gemeinsam vor der Kamera stehen. Zum anderen erzählen wir eine Geschichte, die auch für Italiener interessant ist. Es gab viele, die als Gastarbeiter nach Deutschland gingen und inzwischen wieder nach Italien zurückgekehrt sind.

Der Film zeigt in Rückblenden, wie der junge Antonio 1965 als Gastarbeiter nach Deutschland kam. Er erzählt aber auch die Liebesgeschichte von Antonio und Ursula. Wie wichtig ist dieser Aspekt?

Die Rückblenden sind für den Film extrem wichtig. Sie erklären uns die Figur Antonio und eröffnen eine neue emotionale Ebene, die neben der Komödie unabdingbar ist. Außerdem führen sie den Zuschauer in eine Zeit, die für viele Gastarbeiter nicht einfach war. In dieser Zeit war Ursula für Antonio der einzige Lichtblick. Sie ist seine Stütze, sie schenkt ihm Selbstvertrauen. In den vielen Jahren, die Antonio schon in Deutschland ist, hat er seine eigene Lebensphilosophie entwickelt. Dadurch macht er es seiner Frau nicht immer leicht... ■

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